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Vollversion (1.42 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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48 Konrad Schacht<br />

Probleme die alte Arbeiter- und Sozialstaatspartei<br />

nicht nur in krisenhaften stagnierenden<br />

Industrieregionen, sondern gerade auch in einer<br />

besonders modernen und wirtschaftlich starken<br />

Zukunftsregion hat. Die Ergebnisse wurden<br />

1986 unter dem Titel ,Wahlentscheidung im<br />

Dienstleistungszentrum‘ publiziert. Sie lösten<br />

eine breite Debatte über die Strategie der SPD<br />

in modernen Dienstleistungsstädten aus. Der<br />

damalige Frankfurter SPD-Vorsitzende Martin<br />

Wentz machte sich die Analyse in Teilen zu Eigen<br />

und publizierte 1986 die Thesen ,Der soziale<br />

Wandel in der Dienstleistungsgesellschaft<br />

und seine Auswirkungen auf die Politik der<br />

Frankfurter SPD‘.<br />

In Frankfurt kam es in Reaktion auf den von<br />

Wentz eingeleiteten Politikwechsel zu heftigen<br />

Auseinandersetzungen zwischen ‚Modernisierern‘<br />

und ,Traditionalisten‘. Mit der Öffnung<br />

für die ‚neuen sozialen Schichten‘ gelang es der<br />

SPD mit Volker Hauff 1989 eine rot-grüne<br />

Mehrheit zu gewinnen. Die CDU fiel von 49,6<br />

bei der Kommunalwahl 1985 auf 36,6 Prozent<br />

zurück, die SPD kam auf 40,1 Prozent.<br />

Die Entwicklung zeigte die hohe Mobilität<br />

der Frankfurter Wähler, die keiner politischen<br />

Partei längerfristige Sicherheit geben. Die Wahl<br />

von 1989 zeigte aber auch, dass die Konzentration<br />

der neuen Politik auf die Mittelschichten<br />

und die Abwendung von traditionellen Gewerkschaftsthemen<br />

Folgen für die Wählerbewegungen<br />

hatte, die vorher nicht gesehen wurden. Die<br />

Verluste der SPD in ihren Hochburgen und die<br />

großen Erfolge der NPD in benachteiligten<br />

Randlagen der Stadt, die auch eine Reaktion auf<br />

die Zuwanderungsdebatten unter einem CDU-<br />

Kanzler waren, waren auch ein Indikator für die<br />

unzureichende Berücksichtigung benachteiligter<br />

unterer Schichten durch die neue SPD-Politik,<br />

die sich zumindest oberflächlich an den<br />

Werten und Lebensstilen der prosperierenden<br />

Mittelschichten orientierte.<br />

Die Wahlanalyse führte die Veränderungen<br />

in Frankfurt auf mehrere Faktoren zurück: die<br />

Tertiarisierung der Wirtschaft, die Erosion der<br />

Arbeitermilieus, die relative Stabilität des katholischen<br />

Milieus zur Sicherung der Stammwählerbasis<br />

der CDU und die Existenz eines<br />

großen Anteils politisch ungebundener Wähler<br />

der Mittelschichten, die keine ideologisch-parteilichen<br />

Loyalitäten kennen. Dies wiederum<br />

hatte zur Folge, dass die überzeugend kommunizierte<br />

Stadtpolitik Wallmanns mit starken kulturpolitischen<br />

Akzenten und für konsequente<br />

wirtschaftliche Modernisierung eine breite Unterstützung<br />

gerade bei diesen modernen Schichten<br />

finden konnte. Der Einbau kompetenter<br />

Sachpolitiker der SPD wie z.B. Hilmar Hoffmann<br />

als Kulturdezernenten sicherte der CDU-<br />

Administration Vertrauen im SPD-Milieu und<br />

half bei der Neutralisierung der Oppositionsbemühungen.<br />

Die große Beweglichkeit der Frankfurter<br />

Wähler hatte außerdem zur Folge, dass eine<br />

,Dialektik der Machtebenen‘ sich sehr stark auswirkte.<br />

Danach verliert die Kanzlerpartei bei den<br />

folgenden Regionalwahlen dadurch, dass sie nur<br />

wesentlich schlechter mobilisieren kann als die<br />

Opposition im Zentralstaat. Bei einer SPD-geführten<br />

Bundesregierung bedeutete dies bei der<br />

Kommunalwahl 1981, dass die SPD nur 71,9<br />

Prozent, die CDU aber 112,6 Prozent ihres noch<br />

bei der Bundestagswahl 1980 erreichten Wählerpotentials<br />

ausschöpfen konnte. Diese Dialektik,<br />

die bei Kommunal- und Landtagswahlen<br />

die bundespolitischen Oppositionsparteien<br />

durch bessere Mobilisierungschancen begünstigt,<br />

schwächt bei den Zwischenwahlen besonders<br />

die Kanzlerpartei; dies umso stärker, je mehr<br />

der Wahltermin in der Mitte der Bonner/Berliner<br />

Legislaturperiode liegt. Dieser strukturelle<br />

Mechanismus der asymmetrischen Mobilisierungschancen<br />

kann von den landes- und kommunalpolitisch<br />

agierenden Eliten nicht außer<br />

Kraft gesetzt werden. Sie wundern sich immer<br />

wieder über große Verluste, obwohl sie doch<br />

eine so gute Politik in ihrem jeweiligen Bereich<br />

gemacht haben.

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