Vollversion (1.42 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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tragssprache war in Berlin, wegen der ausländischen<br />
Gäste, häufig englisch und die Atmosphäre<br />
eine Mischung aus Seminar und Party.<br />
Die Themen entstammten verschiedenen<br />
Bereichen, gemeinsam war jedoch allen die eine<br />
besondere Affinität zu Internet und neuen Medien,<br />
und die Kommunikation verläuft zumeist<br />
übers ‚Twittern‘ (elektrischer-reporter.de/<br />
index.php/site/film/52/), weil es preisweiter ist<br />
als SMS. So wurden u.a. folgende Themen angeboten:<br />
‚Web 2.0 und e-learning‘, ‚Web to<br />
China‘, ‚Typo 3 – Why the hype? ‘, ‚Enterprise<br />
2.0‘, ‚Future of Weblogs‘, ‚Identity, Privacy &<br />
Open ID‘, ‚The Next Web‘, ‚Corporate Podcasting‘,<br />
‚Russian Web‘,‚Designing Websites<br />
for Devices‘, ‚Sustainability Interfaces‘, ‚Google<br />
Earth the Geo Browser‘, ‚Lessons in Social<br />
Software‘, ‚Foster International Barcamps‘, ‚socialcamp‘,<br />
‚Commercial Communities‘ und vieles<br />
mehr. Anwesend waren Start-up-Gründer,<br />
Programmierer, Systemadministratoren, Blogger,<br />
Podcaster, Wirtschaftsinformatik- und<br />
BWL-Studenten, ein bißchen Presse sowie einige<br />
Laien und Arbeitssuchende, weil Barcamps<br />
die Möglichkeit anbieten, Stellenangebote wie<br />
-gesuche durch eine Art Wandzeitung öffentlich<br />
zu machen.<br />
Betrachtet man das ‚BarCampBerlin2‘ nur<br />
für sich, gewissermaßen als isoliertes Ereignis,<br />
mag sich freilich die Frage stellen, aus welchem<br />
Grund darüber im <strong>Forschungsjournal</strong> Neue<br />
<strong>Soziale</strong> <strong>Bewegungen</strong> berichtet wird. Denn inhaltlich<br />
ging es in keinem Beitrag um soziale<br />
<strong>Bewegungen</strong>. Schaut man hingegen auf dieses<br />
Ereignis als Glied einer Kette gleicher Ereignisse,<br />
nämlich die Planung und Durchführung einer<br />
rasant steigenden Zahl von Barcamps seit<br />
2005, dann kann dieses Ereignis durchaus –<br />
pars pro toto – als Ausdruck einer globalen sozialen<br />
Bewegung gesehen werden. Indes setzt<br />
dies voraus, daß ein solches Ereignis mit Hilfe<br />
geeigneter Erklärungsansätze in ein entsprechendes<br />
Umfeld eingebettet wird. Für eine solche<br />
Analyse genau dieses Ereignisses als ‚Brücken-<br />
<strong>Forschungsjournal</strong> NSB, Jg. 20, 4/2007<br />
kopf‘ einer sozialen Bewegung fortlaufend stattfindender<br />
Barcamps überall in der Welt bietet<br />
sich bewegungstheoretisch nun die Arbeit von<br />
Alberto Melucci an.<br />
Latente Netzwerke und manifeste<br />
Mobilisierung<br />
In dem Artikel ‚The Symbolic Challenge of<br />
Contemporary Movements‘ von 1985 stellte<br />
Melucci ein Modell sozialer <strong>Bewegungen</strong> zur<br />
Diskussion, dessen Besonderheit darin zu sehen<br />
ist, daß soziale <strong>Bewegungen</strong> im Wesentlichen<br />
als ‚movement networks or movement areas<br />
as the network of groups and individuals sharing<br />
a conflictual culture and a collective identity‘<br />
verstanden wurden. Dabei schloß diese Definition<br />
‚not only ‚formal‘ organizations but the<br />
network of ‚informal‘ relationships connecting<br />
core individuals and groups to a broader area of<br />
participants and ,users‘ of services and cultural<br />
goods produces by the movement‘ mit ein.<br />
Im Zentrum dieses Ansatzes steht also das<br />
‚submerged network‘ sozialer <strong>Bewegungen</strong>,<br />
konzipiert als ein ‚system of exchange (persons<br />
and information circulate along the network;<br />
some agencies, such as local free radios, bookshops,<br />
magazines provide a certain unity).‘<br />
Freilich ist ein solches ‚submerged network‘<br />
für die allgemeine Öffentlichkeit zumeist unsichtbar,<br />
nur direkte Teilnehmer wissen darum,<br />
ansonsten bleibt dieses Netzwerk im Verborgenen.<br />
Ab und zu jedoch, mitunter sogar regelmäßig,<br />
kommt es zu verabredeten Zusammenkünften,<br />
man trifft sich an bestimmten Orten in größerer<br />
Zahl, und sei es nur für wenige Stunden,<br />
um durch direkte Interaktion die wechselseitige<br />
Bindung der Netzwerkmitglieder zu verstärken,<br />
sich besser kennenzulernen, auszutauschen und<br />
gemeinsame Aktionen zu unternehmen.<br />
Melucci hat dieses ständige Wechselspiel<br />
zwischen Verstreutsein und Zusammenkunft nun<br />
treffend mit der Unterscheidung latency/visibility<br />
erfaßt. Der zeitliche, räumliche und soziale<br />
Normalzustand einer sozialen Bewegung ist