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<strong>Forschungsjournal</strong> NSB, Jg. 20, 4/2007<br />

ANALYSE<br />

...................................................................................................................................<br />

In schlechter Gesellschaft. Das<br />

Problem unzivilen Sozialkapitals<br />

Sozialkapital und Zivilgesellschaft<br />

Der Begriff des Sozialkapitals ist in letzter Zeit<br />

vor allem in Zusammenhang mit der Frage nach<br />

den Grundlagen einer lebendigen Zivilgesellschaft<br />

prominent geworden. Durch Sozialkapital,<br />

so die These, werden Gewohnheiten sozialer<br />

Kooperation eingeübt und praktiziert sowie<br />

das Vermögen gesellschaftlicher Selbstorganisation<br />

gestärkt. Der Begriff wird vorwiegend<br />

im Anschluss an die Analysen des amerikanischen<br />

Politikwissenschaftlers Robert Putnam<br />

gebraucht und ist demokratietheoretisch im<br />

Wesentlichen positiv konnotiert. Sozialkapital,<br />

so die Annahme, stärkt die Demokratie und hat<br />

integrierende Wirkung.<br />

Putnams Analysen haben große Resonanz<br />

weit über fachwissenschaftliche Diskussionen<br />

hinaus gefunden – keine Handlungsempfehlung<br />

zur Stärkung bürgerschaftlichen Engagements,<br />

in der sein Konzept nicht Erwähnung fände.<br />

Die theoretische Auseinandersetzung um das<br />

Konzept des Sozialkapitals hat in den vergangenen<br />

Jahren freilich immer wieder ein Problem<br />

gestreift, dass hier kurz etwas genauer unter<br />

die Lupe genommen werden soll. Die Frage ist,<br />

inwiefern Sozialkapital tatsächlich als ein öffentliches<br />

Gut in dem Sinne verstanden werden<br />

kann, dass demokratische Gesellschaften als<br />

Ganze von seiner Existenz profitieren. Putnams<br />

These ist, dass Sozialkapital zwar in begrenzten<br />

sozialen Netzwerken gebildet wird, aber gleichwohl<br />

sog. ‚Externalitäten‘ hervorbringt, die sich<br />

positiv für die Gesellschaft als Ganze auswirken.<br />

Wenn Sozialkapital aber kein oder zumindest<br />

nicht notwendigerweise ein öffentliches Gut<br />

darstellt, ergäbe sich die Möglichkeit, dass negative<br />

Konsequenzen für die Demokratie entstehen:<br />

Abschottung sozialer Gruppen, Intoleranz,<br />

Korruption. Sozialkapital könnte den Cha-<br />

87<br />

rakter eines ‚Clubgutes‘ annehmen, das bestimmten<br />

Individuen bzw. Gruppen Vorteile<br />

bringt und in Abhängigkeit steht zu andern materiellen<br />

und kulturellen Ressourcen. Dann aber<br />

würde Sozialkapital nicht notwendig als Medium<br />

der Inklusion, wie dies bei Putnam impliziert<br />

ist, wirken, sondern als Medium der Exklusion.<br />

Die Frage, inwieweit freiwillige Vereinigungen<br />

und soziale Netzwerke der Zivilgesellschaft<br />

Ausschließung bzw. soziale Ungleichheit<br />

zum Ausdruck bringen und möglicherweise<br />

sogar verstärken, ist sowohl in der Theorie der<br />

Zivilgesellschaft als auch in der Diskussion um<br />

Sozialkapital jedoch bislang häufig unterbelichtet<br />

geblieben 1 .<br />

Gibt es unziviles Sozialkapital?<br />

Sozialkapital äußert sich in Form von Netzwerken,<br />

Normen der Reziprozität und Vertrauen.<br />

Den Kern des Putnam’schen Konzepts bildet<br />

die These, dass soziale Vernetzung und die Bildung<br />

demokratieförderlicher Normen zusammenhängen:<br />

wenn wir uns zu gemeinschaftlichen<br />

Aktivitäten zusammenschließen, entwickeln<br />

wir Fähigkeiten der Kooperation, einen<br />

Sinn für Verpflichtung und Gegenseitigkeit sowie<br />

soziales Vertrauen, das auch über den partikularen<br />

Kontext, in dem es gebildet wurde, ausstrahlt.<br />

Wie die strukturelle Dimension – soziale<br />

Netzwerke als Existenz von Beziehungen formeller<br />

und informeller Art – und die kulturelle<br />

Dimension – die Genese von sozialen Normen<br />

– eigentlich zusammenhängen, ist aber gar nicht<br />

ohne weiteres klar. Wenn man sich bei der Analyse<br />

von Sozialkapital nur auf solche Netzwerke<br />

konzentriert, denen man vorderhand mit Blick<br />

auf die kulturelle Dimension zivilen Charakter<br />

zuschreibt, entsteht die Gefahr, in eine Tautologie<br />

zu geraten: zivile Netzwerke produzieren<br />

Normen der Zivilität, unzivile tun das nicht. Wenn<br />

man die strukturelle und die kulturelle Dimension<br />

hingegen analytisch auseinander hält, ist<br />

es möglich, verschiedene Formen von Sozialkapital<br />

entlang der Frage zu differenzieren, wel-

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