Vollversion (1.42 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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34<br />
pel- oder Jamaika-Koalition ab, die beide kleine<br />
Parteien schnell an den Rand der bedrohlichen<br />
Fünf-Prozent-Klippe führen können.<br />
Trotz des Umstands, dass beide Parteien in<br />
demselben bürgerlichen sozialstrukturellen<br />
Segment in Westdeutschland verankert sind<br />
und damit eine gewisse sozio-kulturelle Nähe<br />
aufweisen, erschweren ideologische Gegensätze<br />
etwa im Bereich der Sozialpolitik nach<br />
wie vor die Zusammenarbeit. Im Übrigen wäre<br />
eine Jamaika-Koalition ein politisches Bündnis,<br />
das in Ostdeutschland nur über eine sehr<br />
schwache Verankerung verfügte und dort<br />
Ängste schüren könnte, vom Westen ‚abgehängt‘<br />
zu werden.<br />
5 Fünfparteiensystem – Quo vadis?<br />
Die These vom fluiden Fünfparteiensystem suggeriert<br />
eine damit verbundene Öffnung des bundesrepublikanischen<br />
Parteiensystems zu neuen<br />
Koalitionen. Sie deutet eine Ära neuer politischer<br />
Flexibilität bei politischen Eliten und<br />
Wählern an, die einen Ausweg aus dem derzeitigen<br />
Modell der Großen Koalition bietet. Diese<br />
Flexibilität kann man jedoch sowohl auf der<br />
Ebene der politischen Eliten als auch auf der<br />
Ebene der Wähler bezweifeln.<br />
Die neue Struktur des deutschen Parteiensystems<br />
ist eben nicht vorrangig aus einer gestiegenen<br />
Beweglichkeit wachsender Teile der<br />
Wählerschaft erwachsen, auf die dann die politischen<br />
Eliten in den Parteien mit dem Aufbruch<br />
zu neuen programmatischen Ufern reagiert haben.<br />
Dieses, stark von dem Wahrnehmungsraster<br />
der Individualisierungsthese vorgeprägte<br />
Bild einer gewissermaßen doppelten Volatität<br />
von Wählern und Eliten sollte vielmehr im Lichte<br />
einer auf Strukturen und damit verbundenen<br />
Orientierungen und Interessen ausgerichteten<br />
Betrachtungsweise korrigiert werden. Es hat den<br />
Anschein, dass das neue Parteiensystem nach<br />
wie vor auf einer Wählerschaft aufruht, die sehr<br />
stark von tradierten und in den letzten Jahrzehn-<br />
Gerd Mielke<br />
ten zu einem Gegensatz politischer Lager geronnenen,<br />
sozialen Gruppen beherrscht wird.<br />
Die derzeitigen Schwierigkeiten, Alternativen<br />
zur Großen Koalition zu finden, gehen wesentlich<br />
auf ein Auseinanderfallen von relativ<br />
stabilen Grundeinstellungen zu zentralen Bereichen<br />
der Politik in der Wählerschaft und den<br />
Politikzielen einer Koalition von Parteieliten<br />
zurück, die aus ganz unterschiedlichen Motiven<br />
in der Ära Schröder eine Aufkündigung dieses<br />
Grundkonsens betrieben haben. Die seit 2005<br />
erkennbaren Versuche beider großer Parteien,<br />
den aufgekündigten Konsens durch behutsame<br />
Korrekturen wiederherzustellen oder neue Koalitionsoptionen<br />
anzustreben, versprechen<br />
derzeit keinen durchschlagenden Erfolg. Im ersten<br />
Fall ist die Entfremdung – vor allem im<br />
vormals sozialdemokratischen Bereich – zu<br />
stark, im zweiten Fall ist der Graben zwischen<br />
den Lagern zu tief.<br />
Manches spricht also dafür, dass die angestiegene<br />
Fraktionalisierung auf der parlamentarischen<br />
Ebene gleichwohl einhergeht mit einer<br />
fortdauernden Notwendigkeit von Großen Koalitionen.<br />
Damit zeichnet sich für auch 2009 die<br />
durchaus wahrscheinliche Regierungskonstellation<br />
eines mittelfristig nur schwer abwählbaren<br />
Großparteien-Kartells ab. Eine derartige Regierung<br />
als Fortsetzung der zunächst informellen<br />
Zusammenarbeit zwischen Bundesregierung<br />
und Opposition vor allem in der zweiten Amtsperiode<br />
von Rot-Grün und der derzeitigen Großen<br />
Koalition kann man in zwei politikwissenschaftlichen<br />
Diskussionskontexten interpretieren.<br />
Zum einen lässt sich die Fortsetzung der<br />
Großen Koalition über einen längeren Zeitraum<br />
in den Kategorien der Demokratietypologie des<br />
holländischen Politikwissenschaftlers Arend<br />
Lijphart (1999) diskutieren. Er geht bei seiner<br />
Typologie von den beiden Modellen der Mehrheits-<br />
und Konsensdemokratie aus. Die Bundesrepublik<br />
Deutschland stellt einen Mischtyp<br />
dar, der die Elemente des auf Mehrheiten ausgerichteten<br />
Parteienwettbewerbs mit Elementen