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Vollversion (1.42 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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Fremdelnde Freunde<br />

nun auf einige meines Erachtens sich aufdrängende<br />

Ähnlichkeiten verweisen:<br />

1. Beide Äußerungen erfolgen zu einer Zeit,<br />

in der sich Deutschland in einer inneren Krise,<br />

zumindest in einem Umbruchprozess größeren<br />

Ausmaßes befindet; und beide Krisen ereignen<br />

sich im Umfeld einer deutschen Einigung und<br />

damit im Zusammenhang mit der Neudefinition<br />

Deutschlands in Europa, in der Welt – und gegenüber<br />

Amerika. Im einen Fall sind es nur noch<br />

zwei Jahre bis zur Gründung des Norddeutschen<br />

Bundes bzw. nur noch sieben Jahre bis<br />

zur Reichseinigung, im anderen Fall sind gerade<br />

zwei Jahre seit der staatsrechtlichen Einigung<br />

Deutschlands vergangen, wobei die innere,<br />

die geistig-politisch-soziale Einigung, erst<br />

noch zu leisten war (und bis heute ist). In beiden<br />

Fällen ist eine lebhafte Debatte über das Für und<br />

Wider der Einigung im Gange, die sich verbindet<br />

mit dem Streit über die künftige Gestaltung der<br />

deutschen Gesellschaft angesichts neuer ökonomischer<br />

und technologischer Herausforderungen<br />

wie auch mit dem Streit über die bevorstehende<br />

Rolle Deutschlands in der Welt.<br />

2. Beide Äußerungen stammen von Vertretern<br />

einer sich in der Opposition befindlichen<br />

Strömung oder Bewegung bzw. Partei, die glaubt<br />

und den Anspruch vertritt, die zur Überwindung<br />

der Krise berufene Kraft zu sein und auch<br />

ein Programm dafür zu haben – nämlich die<br />

Arbeiterbewegung, die Sozialisten oder die Sozialdemokratie.<br />

3. Das Rezept für die Überwindung der Krise<br />

besteht in dem einen Fall in irgendeiner Art<br />

von sozialer und politischer Revolution, im anderen,<br />

heutigen Fall, in irgendeiner grundlegenden<br />

Reform.<br />

Beiden Fällen ist gemeinsam, dass Ziel und<br />

Richtung des angestrebten grundlegenden Wandels<br />

nicht gerade von überwältigender Klarheit<br />

und Plausibilität sind – dafür wird insbesondere<br />

im ersten Fall der weltumfassende Anspruch<br />

umso nachdrücklicher erhoben; und auch im<br />

zweiten Fall sind solche Töne (speziell was die<br />

7<br />

internationale Rolle Deutschlands anbelangt)<br />

noch immer nicht ganz ohne missionarischen<br />

Alleinvertretungsanspruch (Beispiel: ‚Friedensmacht<br />

Deutschland‘).<br />

4. Die Opposition erhofft sich für ihr Wirksamwerden,<br />

d.h. sowohl für die Übernahme der<br />

Macht wie auch für die Verwirklichung ihrer<br />

politischen Vorstellungen, welthistorischen bzw.<br />

weltpolitischen Rückenwind.<br />

5. Dieser Rückenwind soll insbesondere von<br />

jenseits des Atlantiks kommen, von den USA –<br />

sei es in Form einer dort zu erfolgenden gewaltigen<br />

Revolution, sei es in Form eines grundlegenden<br />

Reformschubs. In jedem Fall werden<br />

von solchen tiefgreifenden sozialen Änderungen<br />

im Epizentrum USA Auswirkungen auf<br />

Europa, auf Deutschland und auf die deutsche<br />

(sozialistische bzw. sozialdemokratische) Opposition<br />

erhofft. So soll für Karl Marx die Sklavenbefreiung<br />

durch den Bürgerkrieg das Vorspiel<br />

und der Auslöser für eine Arbeiterrevolution<br />

in den USA und in deren Gefolge einer<br />

Revolution in Europa und Deutschland sein.<br />

Engholm wiederum – und sicher nicht nur er,<br />

sondern ein Großteil der SPD – erhofft sich<br />

von den Clintonschen Reformen einen Strukturwandel<br />

in den USA und von neuen Akzenten<br />

in Wirtschaft und Technologie, in der Gesellschafts-<br />

und Sozialpolitik einen nachhaltigen<br />

Veränderungsschwung in Europa sowie einen<br />

‚Kick‘ zum Übergang von einer alten, abgewirtschafteten<br />

Generation zu einer jungen;<br />

dies sollgleichbedeutend mit einem Wechsel von<br />

einer konservativen zu einer sozialdemokratischen<br />

Herrschaft sein.<br />

6. Beide Male konzentriert sich das Augenmerk<br />

für amerikanische Entwicklungen sehr<br />

stark auf bestimmte Personen, d.h. Präsidenten,<br />

die zu Symbolfiguren der erwarteten Veränderungen,<br />

zu Hoffnungsträgern werden. Dies wäre<br />

an und für sich nicht ungewöhnlich, da die obersten<br />

Amtsinhaber sicherlich auch in den USA,<br />

ja, gerade dort, Repräsentanten bestimmter Richtungen<br />

sind und als solche gewählt, verehrt oder

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