Vollversion (1.42 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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teiligung ermöglichte. Dabei waren jedoch<br />
zunächst nur geringere direkte Mitgliederbeteiligungsmöglichkeiten<br />
vorgesehen, Mitgliederbegehren<br />
und Mitgliederentscheid wurde ohne<br />
tiefe Diskussion in die Parteistatuten aufgenommen,<br />
die „SPD ist in diese plebiszitäre Phase<br />
hereingeschlittert.“ (Leif/Raschke 1994: 194)<br />
Die SPD konnte sich jedoch nicht dazu durchringen,<br />
verbindliche Entscheidungen obligatorisch<br />
durch die Mitgliedschaft treffen zu lassen,<br />
sondern führte fakultative Basisvoten als Ergänzung<br />
der gängigen Entscheidungsmodi ein.<br />
Darüber hinaus wurden zum Themenfeld der<br />
Professionalisierung des Parteiapparats und der<br />
Parteiarbeit Empfehlungen ausgesprochen.<br />
3 ‚Demokratie braucht Partei‘<br />
und die Debatte um die<br />
‚Netzwerkpartei‘<br />
Seit dem Wiesbadener Parteitag im Jahr 1993<br />
war die Parteireformdebatte in der SPD zum<br />
Stillstand gekommen. Wesentliche innerparteiliche<br />
Neuerungen wurden seit dieser Zeit in der<br />
SPD nicht mehr diskutiert. Die fast permanent<br />
bestehende Arbeitsgruppe des Parteivorstandes<br />
zur Parteireform zog 1995 eine positive Bilanz<br />
der 1993 erweiterten Möglichkeiten zur Mitgliedermitbestimmung.<br />
Die Arbeitsgruppe kam<br />
allerdings zu dem Ergebnis, dass das Nebeneinander<br />
der Entscheidungsfindung durch Mitgliederentscheid<br />
und Parteitagsbeschluss beendet<br />
werden sollte und eine verbindliche Regelung<br />
in der Satzung zwischen dem Repräsentationsprinzip<br />
und dem plebiszitären Prinzip getroffen<br />
werden sollte. Vor dem Hintergrund der<br />
Debatten um den Kanzlerkandidaten der SPD<br />
1994 und der nach der Wahlniederlage zunehmenden<br />
Kritik am SPD-Vorsitzenden Rudolf<br />
Scharping schlug die Arbeitsgruppe ‚Mitgliederentwicklung‘<br />
zudem vor, dass „[…] die Urwahl<br />
des Kanzlerkandidaten in der Satzung verbindlich<br />
vorgesehen sein muß oder ausgeschlossen<br />
sein sollte.“ (SPD-Parteivorstand 1995: 15)<br />
Thomas Hauf<br />
Die Empfehlungen der Arbeitsgruppe ‚Mitgliederentwicklung‘<br />
wurden dem Mannheimer Parteitag<br />
im November 1995 vorgelegt, jedoch nicht<br />
umgesetzt.<br />
Im Jahr 2000 gewann die Parteireformdebatte<br />
in der SPD wieder an Tempo. Zum Jahresbeginn<br />
2000 kündigte der damalige SPD-Generalsekretär<br />
Franz Müntefering eine Modernisierung<br />
der Parteiarbeit an, im April 2000 legte<br />
er Thesen unter der Überschrift „Demokratie<br />
braucht Partei. Die Chance der SPD“ zur Reform<br />
der SPD vor. (Müntefering 2000: 337ff)<br />
Es sei an der Zeit, so Müntefering, über die<br />
Organisation, über ihre Funktion, Struktur und<br />
Arbeitsweise der SPD zu diskutieren und<br />
nötigenfalls grundlegende Veränderungsprozesse<br />
anzustoßen.<br />
Münteferings Vorschläge zielten u.a. auf eine<br />
Reaktivierung der Parteiarbeit unter verstärkter<br />
Ansprache von Nicht-Mitgliedern vor Ort, auf<br />
die Qualifizierung der ehrenamtlichen Mandatsträger<br />
und Parteiaktiven, eine stringente Internet-basierte<br />
Vernetzung der Parteigliederungen;<br />
insgesamt gesehen wiesen seine Thesen eine<br />
große Deckungsgleichheit zu den Empfehlungen<br />
der Projektgruppe ‚SPD 2000’ auf. (Leif<br />
2001: 72) Bei allen Bekenntnissen zur Mitgliederpartei<br />
trat Müntefering dezidiert für eine<br />
sehr weitgehende Öffnung der Parteiarbeit ein:<br />
„In einer Demokratie Partei zu sein, heißt nicht<br />
zwingend, in einer Partei zu sein, sich in und<br />
mit einer Partei zu engagieren.“ (Müntefering<br />
2000: 337)<br />
Müntefering sprach sich auch dafür aus, die<br />
direkte Beteiligung der Bürger in der Politik<br />
auch außerhalb von Parteien auszubauen; dazu<br />
zählten die Einführung von Volksentscheiden<br />
auf Bundesebene, die Einführung des Kumulierens<br />
bei Kommunalwahlen und die Einführung<br />
von Vorwahlen. Er wollte auch Nicht-Parteimitgliedern<br />
das Recht einräumen, bei Vorwahlen<br />
nach US-amerikanischem Vorbild an der<br />
Kandidatenaufstellung für die Bundestagswahlen<br />
2006 mitzuentscheiden. Dafür strebte