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Vollversion (1.42 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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Pulsschlag<br />

genommen; auch die UN schienen nach dem<br />

Zusammenbruch des Ostblocks aus ihrer jahrzehntelangen<br />

Starre erwacht. Das Kyoto-Protokoll,<br />

die Anti-Landminenkampagne, die vielen<br />

teils um so genannte ‚robuste Mandate‘ erweiterten<br />

Blauhelm-Einsätze versprachen eine<br />

strukturell veränderte Politik auf internationaler<br />

Ebene (Debiel/Werthes 2006: 82ff), in der der<br />

Nationalstaat nicht mehr die dominante Rolle<br />

spielen und durch überstaatliches Recht stärker<br />

in Verantwortung gezogen werden sollte.<br />

Zehn Jahre später wird klar, dass viele dieser<br />

Tendenzen sich nicht etabliert haben und<br />

nicht zu dauerhaften Strukturen verfestigen<br />

konnten. Die USA sind der Vorreiter einer Bewegung,<br />

die ein Wiedererstarken des Staates<br />

zeigt. Das Vorgehen der Amerikaner im Vorfeld<br />

des Irak-Krieges sowie der demonstrative Widerstand<br />

der Bush-Administration gegen das<br />

Kyoto-Abkommen zeigen ein verstärkt konfrontatives<br />

Durchsetzen nationaler Interessen und<br />

eine Abkehr von multilateralen Politikentwürfen.<br />

Hier offenbart sich die außenpolitische Souveränität<br />

eines Staates, der sich wieder von inter-<br />

und supranationalen Fesseln befreit. (Man<br />

kann zwar argumentieren, dass den USA in dieser<br />

Hinsicht ohnehin eine Sonderrolle zukommt;<br />

ähnliche Entwicklungen in Putins Russland oder<br />

die Widersetzung des Iran gegen die Beschlüsse<br />

der internationalen Atomenergiebehörde<br />

IAEA zeigen jedoch, dass dies bei weitem kein<br />

Einzelfall darstellt.)<br />

Nicht nur bei internationalen Abkommen<br />

wird die Zeit zurückgedreht, auch die Vereinten<br />

Nationen scheinen nach einer kurzen Phase verstärkter<br />

Interventionen nun wieder zu einer Phase<br />

der erschwerten Entscheidungsfindung bzw.<br />

sogar der Blockade zurückzukehren. Gerade im<br />

UN-Sicherheitsrat treten die unterschiedlichen<br />

Interessen der Vetomächte – mit einem zumindest<br />

sicherheitspolitisch wiedererstarkten Russland<br />

und einem aufstrebenden China – zutage und<br />

verhindern selbst bei eklatanten Menschenrechtsverletzungen<br />

wie in Darfur Entscheidungen, die<br />

95<br />

ein schnelles und durchsetzungsfähiges Eingreifen<br />

von Schutztruppen erlauben. Auch das Vorgehen<br />

der USA im Vorfeld des Irakkrieges im<br />

Jahr 2003 zeugen von der wieder geschwächten<br />

Position der UN.<br />

3.2 Die besondere Rolle der<br />

Nichtregierungsorganisationen<br />

Nichtregierungsorganisationen haben seit Beginn<br />

der 1990er Jahre stark an Bedeutung gewonnen<br />

und eine besondere Aufmerksamkeit<br />

innerhalb der Wissenschaft auf sich gezogen.<br />

In Hinblick auf einen Machtverlust des Staates<br />

sind NGOs – neben dem allgegenwärtigen<br />

Schlagwort der ‚Globalisierung‘ – nicht nur bei<br />

Jessica T. Mathews, sondern allgemein in den<br />

Sozialwissenschaften ins Blickfeld geraten. Dies<br />

aus zwei Gründen: Zum einen geht der Aufstieg<br />

der Nichtregierungsorganisationen mit den beobachteten<br />

Gestaltungsverlusten der Nationalstaaten<br />

einher; zum anderen wurden NGOs zu<br />

Hoffnungsträgern einer neuen und besseren<br />

Politik gemacht, da sie neue und bis dahin vernachlässigte<br />

Themen auf die Agenda setzten und<br />

ihre Einbindung in politische Prozesse zugleich<br />

einen Demokratisierungsschub internationaler<br />

Politik versprach.<br />

Zu untersuchen in Hinblick auf Mathews’<br />

Thesen bleibt nun, inwiefern sie tatsächlich an<br />

Macht gewonnen haben – und inwiefern der<br />

Staat dabei an Macht verloren hat. Dabei ist es<br />

natürlich schwierig, einen Machtgewinn und –<br />

verlust empirisch zu fassen und genau quantifizieren<br />

zu wollen. Eine Möglichkeit, zu einer<br />

fundierten Einschätzung zu gelangen, ist der<br />

genaue Blick auf die Rolle, die Nichtregierungsorganisationen<br />

im politischen Handeln zugesprochen<br />

wird. Ein Machtverlust des Staates<br />

wäre dann zu attestieren, wenn dieser während<br />

politischer Entscheidungsprozesse in vormals<br />

allein staatlich regulierten Bereichen auf die<br />

Zusammenarbeit mit und die Unterstützung von<br />

Nichtregierungsorganisationen angewiesen<br />

wäre.

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