04.11.2012 Aufrufe

Vollversion (1.42 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

Vollversion (1.42 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

Vollversion (1.42 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Einstellungen zum Sozialstaatsabbau<br />

ständigkeit zeigte auf der Dimension der Extensität<br />

keinen, auf der Dimension der Intensität<br />

jedoch einen hoch signifikanten, positiven Effekt.<br />

Ein Selbstständiger in den alten Bundesländern<br />

hat mit einer zweieinhalb Mal so hohen<br />

Wahrscheinlichkeit eine positive Einstellung<br />

zum Sozialstaatsabbau bezüglich der Intensität<br />

als ein Westdeutscher, der nicht beruflich selbstständig<br />

ist (Tabelle 6). In den neuen Bundesländern<br />

vervielfacht sich diese Chance um mehr<br />

als das Dreifache.<br />

Auch für das Alter ließen sich signifikante<br />

Effekt nachweisen: 14 Angehörige der jüngsten<br />

Generation (18-29 Jahre) neigen in beiden Landesteilen<br />

mit einer dreimal so hohen Wahrscheinlichkeit<br />

zur Ablehnung eines Sozialstaatsabbaus<br />

bezüglich der Extensität wie Personen, die der<br />

dritten Generation zuzurechnen sind (Tabelle 6).<br />

Bei der Intensität ist dieser Effekt nicht signifikant,<br />

wobei das Signifikanzniveau bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit<br />

von 0,079 nur knapp<br />

verfehlt wird.<br />

Interessant ist darüber hinaus, dass bei Kontrolle<br />

aller anderen Variablen die Zugehörigkeit<br />

zu Ost- bzw. Westdeutschland nur auf der Dimension<br />

der Intensität einen signifikanten Einfluss<br />

hat, nicht jedoch auf der der Extensität<br />

(Tabelle 5). Bei der Extensität liegt also offensichtlich<br />

kein ‚echter‘ Regioneneffekt vor, sondern<br />

ein Kompositionseffekt: Die unterschiedlichen<br />

Wahrscheinlichkeiten 15 für Ost- und Westdeutsche,<br />

einem Sozialstaatsabbau bezüglich der<br />

Extensität zuzustimmen, sind demnach auf verschiedene<br />

instrumentelle und normative Orientierungen<br />

zurückzuführen und nicht auf die Region<br />

an sich. Anders stellt sich die Lage auf der<br />

Dimension der Intensität dar: Hier unterscheiden<br />

sich die Bürger der alten und neuen Bundesländer<br />

auch dann, wenn alle anderen Determinanten<br />

kontrolliert werden, d.h. sie unterscheiden<br />

sich deshalb, weil sie Ost- bzw. Westdeutsche<br />

sind.<br />

Die geschilderten Ergebnisse zeigen, dass<br />

es eben nicht das oftmals herangezogene Eigen-<br />

81<br />

interesse ist, das Einstellungen zum Sozialstaatsabbau<br />

erklären kann. Stattdessen werden individuelle<br />

Bewertungen eines Abbaus des Wohlfahrtsstaats<br />

in hohem Maße von normativen<br />

Orientierungen geprägt.<br />

5 Fazit und Ausblick: Handlungsoptionen<br />

und -restriktionen für die<br />

Parteien<br />

Die empirischen Analysen haben verdeutlicht,<br />

dass sich der ganz überwiegende Teil der deutschen<br />

Bürger nach wie vor gegen einen Sozialstaatsabbau<br />

ausspricht. Die Abbaubefürworter<br />

machten im Jahr 2004 je nach Landesteil und<br />

Dimension einen Bevölkerungsanteil zwischen<br />

7,6 Prozent (Ostdeutschland Extensität) und<br />

22,7 Prozent (Westdeutschland Intensität) aus.<br />

Von einer Mehrheit für sozialstaatliche Reformen<br />

in Richtung Abbau kann demnach keine<br />

Rede sein. Maßnahmen wie die Einführung der<br />

Rente mit 67 oder die Hartz IV-Reformen entsprechen<br />

daher nicht dem Willen eines Großteils<br />

der Bevölkerung.<br />

In der Vergangenheit konnte jedoch eine<br />

Zunahme des Bevölkerungsanteils festgestellt<br />

werden, der einem Wohlfahrtsstaatsabbau zustimmt:<br />

Zwischen 1984 und 2004 hat der Anteil<br />

an Abbaubefürworten je nach Landesteil<br />

und Dimension zwischen 6,3 (Ostdeutschland<br />

Extensität) und 14,8 Prozentpunkten (Westdeutschland<br />

Intensität) zugenommen. Falls sich<br />

dieser Trend fortsetzt, werden Reformen –<br />

insbesondere auf dem Gebiet der Intensität –<br />

zukünftig möglicherweise von einer Mehrheit<br />

der Bevölkerung akzeptiert. Wenn man aber in<br />

Betracht zieht, dass die aufgezeigte Veränderung<br />

in einem Zeitraum von 20 Jahren stattfand,<br />

so lässt sich eine zwar merkliche,<br />

keineswegs jedoch rasante Entwicklung diagnostizieren.<br />

Die Politik kann sich also nicht<br />

darauf verlassen, dass mit der Zeit die Widerstände<br />

in der Bevölkerung quasi automatisch<br />

dahin schmelzen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!