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Setzung der Rahmenbedingungen für das ambulante Versorgungssystem 165<br />
len Gründung von Ärzteverbänden mündete. 104 Besonderen Zuspruch erhielt<br />
hierbei der Rudolf-Virchow-Bund, der sich als Interessenvertretung ambulant<br />
wie stationär tätiger Ärzte verstand und hinsichtlich der Poliklinik-Frage<br />
die Position vertrat, daß eine Verbindung von Elementen des westdeutschen<br />
und des ostdeutschen Gesundheitswesens geschaffen werden müsse, bei<br />
welcher einerseits die Niederlassungsmöglichkeit eröffnet, andererseits aber<br />
keine Zwänge in Richtung Niederlassung ausgeübt würden, so daß auf längere<br />
Sicht eine Pluralität der Versorgungsformen bestehen bleiben sollte. 105<br />
Als sich nach dem Angebot des Bundeskanzlers zur Währungsunion Anfang<br />
Februar 1990 die Perspektiven für ein Aneinanderrücken der beiden<br />
deutschen Staaten verdichteten, sollte die ärztliche Verbandsbildung in der<br />
DDR wesentlich forciert und in ihrem Charakter verändert werden: Binnen<br />
weniger Wochen »entdeckten« große westdeutsche fachgebietsübergreifende<br />
Ärzteverbände die potentiellen ostdeutschen Mitglieder und begannen – in<br />
teilweise offener gegenseitiger Konkurrenz 106 – um die (ambulant wie stationär<br />
tätigen) DDR-Ärzte, teilweise auch um die kompletten Mitgliederkollektive<br />
der gerade entstandenen Reformgruppen oder der DDR-internen<br />
Verbandsgründungen, zu werben. Ausschlaggebend für die Entscheidung für<br />
einen »Export« der westdeutschen ärztlichen Verbandslandschaft als Angebot<br />
an die DDR-Ärzte waren mehrere Motive: Der Einschätzung, man wolle<br />
jeweils »nicht zu spät« gegenüber anderen westdeutschen Konkurrenten<br />
kommen, kam dabei offenbar zunächst größeres Gewicht zu als der Absicht,<br />
hierdurch gesundheitspolitische Positionen zu transportieren und die weitere<br />
gesundheitspolitische Entwicklung zu beeinflussen. 107 Die westdeutschen<br />
104 Beispiele gibt Erdmann (1992: 326–336).<br />
105 So sprach sich der Rudolf-Virchow-Bund für einen »Integrationsprozeß der gegenseitigen<br />
Harmonisierung und abgestuften Anpassung zweier Systeme« aus, bei dem »Defizite<br />
und Schwächen des Gesundheitswesens in der Bundesrepublik berücksichtigt und bewährte<br />
Strukturen und Einstellungen des Gesundheitswesens in der DDR geschützt und<br />
erhalten werden« (Rudolf-Virchow-Bund 1990: 18; Hervorhebung durch den Verfasser).<br />
Polikliniken sollten nach den Vorstellungen des Virchow-Bundes »erhalten, aber zu integrierten<br />
Gesundheitszentren weiterentwickelt werden« (1990: 19), jeder Arzt solle »wahlweise<br />
angestellt oder frei niedergelassen arbeiten« können (1990: 19).<br />
106 Vgl. etwa Handelsblatt vom 26.2.1990; FAZ vom 19.3.1990; FAZ vom 31.5.1990.<br />
107 Wenn wir im folgenden lediglich auf die Entwicklung bei den fachgebietsübergreifenden<br />
Ärzteverbänden eingehen, so sei darauf hingewiesen, daß dies für die fachspezifischen<br />
Interessenverbände entsprechend gilt. So gründete etwa der größte Fachärzteverband, der<br />
Berufsverband Deutscher Internisten (BDI), im April eine DDR-Tochter. Der BDI ist zugleich<br />
ein eindrückliches Beispiel dafür, daß zunächst Mitgliedergewinnung im Vordergrund<br />
des Verbandsinteresses stand. So sprach sich der BDI in seinen ersten Stellungnahmen<br />
inhaltlich in erster Linie für eine »erhebliche Steigerung der Vergütung interni-