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166 Kapitel 5<br />

Verbände stießen auf ein lebhaftes Interesse der ostdeutschen Ärzte, nicht<br />

nur weil sie eine Möglichkeit boten, sich detaillierter über das westdeutsche<br />

Gesundheitswesen zu informieren, sondern auch weil sie – insbesondere im<br />

Vergleich zu den in den vergangenen Monaten gegründeten originär ostdeutschen<br />

Verbänden – über eine eingespielte Organisation und ausreichende<br />

Ressourcen verfügten (Erdmann 1992: 334–336).<br />

Die Gründungswelle ostdeutscher »Ableger« westdeutscher Ärzteverbände<br />

wurde ausgelöst durch die Gründung eines Landesverbandes Sachsen des<br />

Hartmannbundes (HB) am 3. März 1990; die Gründung weiterer Landesverbände<br />

folgte bis zum Mai. Der HB versteht sich zwar in der Bundesrepublik<br />

als Interessenverband sämtlicher berufstätiger Ärzte, seine Mitgliedschaft<br />

rekrutiert sich jedoch zu rund zwei Dritteln aus niedergelassenen Ärzten, als<br />

deren »Kampfbund« er historisch entstanden ist und deren Interessen er faktisch<br />

in erster Linie vertritt (dazu: Groser 1992b). Entsprechend früh sprachen<br />

sich seine neuen ostdeutschen Landesverbände für eine »Übertragung<br />

des Sicherstellungsauftrags für die ambulante Versorgung alleine auf Kassenärztliche/Kassenzahnärztliche<br />

Vereinigungen« aus (Hartmannbund 1990:<br />

5). Nachdem der Hartmannbund mit dieser sehr deutlichen Position zunächst<br />

allerdings nur auf ein begrenztes Interesse der ostdeutschen Ärzte stieß, modifizierte<br />

er vorübergehend seine Position und betonte, die Niederlassung sei<br />

zwar »die Idealform ärztlicher Tätigkeit«, sprach sich jedoch zugleich dagegen<br />

aus, das System der Polikliniken rasch aufzulösen. 108<br />

Zugleich allerdings bemühte er sich weiter, die Zustimmung ostdeutscher<br />

Ärzte für den Institutionentransfer durch Informationsveranstaltungen über<br />

das westdeutsche Modell, durch den Verweis auf die vom HB reklamierte<br />

Unwirtschaftlichkeit, Anonymität und medizinische Ineffektivität der Polikliniken<br />

und durch »Erwartungsmanagement« 109 über die angeblich zu erstischer<br />

Leistungen in allen Arbeitsverhältnissen« sowie für eine »Anpassung der Gehälter<br />

für angestellte und beamtete Ärzte an das westdeutsche Tarifgefüge« aus (also Forderungen,<br />

die ungeachtet des Standortes in der Poliklinik-Frage unter einer breiten Mehrheit<br />

der ostdeutschen Internisten konsensfähig sein würden) und stand einer Doppelmitgliedschaft<br />

auch im Virchow-Bund ausdrücklich positiv gegenüber (BDI-Presseinfo im März<br />

1990). Erst im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um die Krankenkassen-Vertragsverordnung<br />

wandte der Verband sich gegen Versuche, Polikliniken als »Relikte einer<br />

ansonsten beseitigten Herrschaftsstruktur« (BDI-Presseinfo vom 10.7.1990) zu konservieren.<br />

108 Vgl. Ärzte-Zeitung vom 2.4.1990.<br />

109 Das »Erwartungsmanagement« (so hieß es in einer Mitteilung von Anfang Februar 1990,<br />

ohne daß dem eine solide Datenbasis zugrunde gelegen hätte: »Mehr als 10 000 DDR-<br />

Ärzte planen freie Niederlassung«; HB-Information 1990/6) zielte offenbar einerseits

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