PMsche Studien. - Digitalisierte Bestände der UB Greifswald

sechste Jahrhundert von keiner dichtem Slavischen Ansiedlung
zwischen der untern Elbe und der untern Weichsel wissen will.
Als Rückhalt für diese Annahme wird darauf hingedeutet,
daß Iornan-des und Gregor von Tours im sechslen Jahrhun-
dert, und der< Geograph von Ravenna, der frühestens in das
erste Driltheil des siebenten zu setzen, noch keine Slaven im
östlichen Germanien erwähnen. Also wieder einmal das soge-
nannte Schweigen der Geschichte, über dessen beweisende Kraft
schon oft gestritten wurde.
Doch wo nun hin mir dem ersten Wanderzuge der Sla-
ven? Da er der erste, muß er begreiflich der Avarenherrschaft
voran gehen, doch darf er nicht früher als in das siebente
Jahrhundert geseht werden. So ist unser Autor genöthigt '
dak Vordringen auch der Moraven, Tschechen und Soraben
nach Westen mit dem Zwange der Avaren in Verbindung ;u
bringen: er setzt ^also die erste Wanderung gleichzeitig mit
der zweiten. Roch mehr, er schließt sich sogar der Ansicht an,
daß die Slavischen Einwanderer in die Germanischen Lander
sich zuerst nach der A'.'areliheirschafl in Pannonien gegen Westen
wandten, und daß ihnen nachher eine zweite Hauptmasse in das
Land nördlich von den Karpathen und an die Ostsee gefolgt
sei").
Vielleicht läßt sich der Verlegenheit abhelfen. Nur wenn
es sich um Thaten der Völler handelt, kann das Schweigen
der Geschichte als verneinender Beweis gelten. That und Wort
stehen als Aeußerungen eines Geistes in so genauem Zusam-
menhange, daß voraus zu setzen, wo in einer Nation der Tha-
tendrang anhebe, werde auch der Trieb nicht ausbleiben, das
Gethane zu berichten. Mangelt die Schrift, so ist das Ge-
dcrn durch Verpflanzung, die dcr (Zhan nach Orientalischem Brauche angeordnet.
Als den eigentlichen Urhcdcr dicscr Hypothese bezeichnet der Englische
Geschichtschreiber den Franzosen Buat in dcr Instoire äe« peu^le
") Barthold a. a. O. S. 170.