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Witaj und 2plus - Sorbischer Schulverein e.V.

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Schulen früher <strong>und</strong> seit einigen Jahren im<br />

Rahmen des bilingualen Modelles <strong>2plus</strong>.<br />

Mit Pierre Bourdieu lässt sich sagen: Zweisprachigkeit<br />

ist ein «kulturelles Kapital»<br />

(vgl.Bourdieu 1983). Allerdings benötigt Kapital<br />

eine Währung, damit man es eintauschen<br />

kann – oder anders: Die Ressource<br />

Zweisprachigkeit bedarf der Kapitalisierung,<br />

damit sie auf dem «sprachlichen Markt» ihren<br />

Wert hat. Die Institutionen, die solche<br />

Kapitalisierung betreiben sind die Bildungsinstitutionen;<br />

sie vergeben schließlich Zeugnisse<br />

<strong>und</strong> Abschlüsse als Bildungstitel. Aus<br />

diesem Gr<strong>und</strong> ist die institutionelle Bildung<br />

wichtig: Nicht nur um den Spracherhalt zu<br />

gewährleisten <strong>und</strong> auch um die Entwicklung<br />

der Sprache kreativ voran zu treiben, sondern<br />

ebenfalls für ihre formale Anerkennung als<br />

Bildungsgut.<br />

Aus unserer Sicht haben die Sprachen der<br />

nationalen Minderheiten auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

interkultureller <strong>und</strong> bilingualer Programme<br />

eine große Bedeutung: Es geht nicht nur um<br />

den Erhalt der Sprachen <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen<br />

Kulturen – das bleibt weiterhin<br />

wichtig <strong>und</strong> sollte nicht vernachlässigt werden.<br />

Es geht aber noch um mehr: um eine<br />

Türöffnerfunktion nämlich für eine neue<br />

europäische Mehrsprachigkeit jenseits des<br />

Fremdsprachenunterrichts in der Schule. Die<br />

Minderheitensprachen haben die starke Möglichkeit,<br />

ihre Ressourcen auf Sprecher anderer<br />

Gruppen auszuweiten – genau das tun<br />

<strong>Witaj</strong> <strong>und</strong> <strong>2plus</strong>. Hiermit kann der Spracherhalt<br />

mit einer Ausstrahlung der Minderheitensprachen<br />

in die jeweiligen Landessprachen<br />

verb<strong>und</strong>en werden. Von einer Perspektive<br />

des Bewahrens ist so der Übergang<br />

zu einer Perspektive der Bereicherung denkbar:<br />

Warum auch sollten deutschsprachige<br />

Kinder in Bautzen, Crostwitz, Ralbitz <strong>und</strong> all<br />

den anderen Schulstandorten denn zuerst<br />

Englisch als Fremdsprache lernen, wenn das<br />

Sorbische im Alltag greifbar <strong>und</strong> lebendig<br />

ist? Und warum sollten sie es als eine Fremdsprache<br />

lernen, wenn es für sehr viele Menschen<br />

um sie herum die gelebte Alltagssprache<br />

ist, das Medium, in dem sich große Teile<br />

ihres Lebens vollziehen? Das bilinguale Modell<br />

bietet darüber hinaus den Vorteil, das<br />

Sorbische als gelebte Sprache nicht nur kennenzulernen,<br />

sondern auch in ihrer Funktion<br />

als Medium für Bildung zu erfahren. Nicht<br />

umsonst können wir aufgr<strong>und</strong> unserer Ergebnisse<br />

feststellen, dass auch viele Kinder aus<br />

deutschen Elternhäusern am Ende des ersten<br />

Schuljahres schon weiter in der sorbischen<br />

Sprache sind, als manche Kinder zweisprachiger<br />

Schulen etwa im Italienischen in Köln<br />

oder Berlin. Diese lebensweltliche Ressource<br />

ist ein wirklicher Wert <strong>und</strong> eine wirkliche<br />

Chance, Zweisprachigkeit im Sinne des<br />

europäischen Gedankens als gelebte Normalität<br />

zu gestalten <strong>und</strong> gleichzeitig regionale<br />

Besonderheiten zu nutzen, zu fördern <strong>und</strong><br />

ggf. auszubauen. In diesem Sinne können<br />

nationale Minderheiten eine Modellfunktion<br />

für ein modernes Sprachenlernen in Europa<br />

ausüben.<br />

Wie ein solcher Prozess der Realisierung<br />

sprachlicher Ressourcen aussieht, ist sehr<br />

komplex. Wir wollen im Folgenden anhand<br />

einiger Beispiele aus den Daten zum bilingualen<br />

sorbisch-deutschen Schulprojekt ein<br />

paar Hinweise geben, welche Produktivität<br />

hier zu beobachten ist <strong>und</strong> wie man aus der<br />

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