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Witaj und 2plus - Sorbischer Schulverein e.V.

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Umgangs mit der Zweisprachigkeit in ganz<br />

anderer Weise zur Verfügung stellen: Zum<br />

einen erinnern sie an eine vergangene Zeit<br />

der Normalität von Zwei- <strong>und</strong> Mehrsprachigkeit,<br />

die erst mit dem Aufkommen der Nationalstaaten<br />

bekämpft wurde: Der Nationalstaat<br />

benötigte die eine Sprache, die in Verbindung<br />

mit der allgemeinen Schule <strong>und</strong> dem<br />

Militär zur tragenden Säule einer Vorstellung<br />

von Homogenität als der zentralen<br />

Funktion in einem Staatswesen wurde: Wilhelm<br />

von Humboldt, der große Liberale der<br />

preußischen Kultusreform, war es selbst, der<br />

diese Richtung einschlug: Letztlich schreckte<br />

er doch vor der formalen Kühle seines liberalen<br />

«Nachtwächterstaats» zurück, der nur<br />

für äußere <strong>und</strong> innere Sicherheit sorgt <strong>und</strong><br />

den Rahmen beispielsweise des Bildungssystems<br />

absteckt, sich aber im Vertrauen auf<br />

die selbstregulativen Kräfte der Gesellschaft<br />

aus den inhaltlichen Setzungen weitgehend<br />

heraushält. Er überwölbte diesen – wie auch<br />

Herder <strong>und</strong> andere – mit einem Verständnis<br />

von Nation, das sich aus der Einheit des Denkens,<br />

Fühlens, Glaubens <strong>und</strong> Sprechens heraus<br />

entwarf – <strong>und</strong> in der die von ihm doch<br />

bildungstheoretisch hochgeschätzte «Mannigfaltigkeit<br />

der Köpfe» letztlich zu einer<br />

Einheit verschmolzen werden konnte. Auf<br />

der Seite der Sprache steht am Ende dieses<br />

Prozesses die Figur des «monolingualen<br />

Habitus», wie es Ingrid Gogolin in ihrem viel<br />

zitierten Buch von 1994 nannte: Dieser monolinguale<br />

Habitus erlaubt es, von der normativen<br />

Kraft <strong>und</strong> Notwendigkeit sprachlicher<br />

Einheit auszugehen – selbst wenn die<br />

Wirklichkeit eine andere ist – nämlich mehrsprachig.<br />

Wie gesagt, die nationalen Minderheiten mit<br />

ihren über die Jahrh<strong>und</strong>erte bewahrten Sprachen<br />

repräsentieren noch etwas von dieser<br />

vergangenen Normalität der gesellschaftlichen<br />

Mehrsprachigkeit. In ihnen ist es eben<br />

«normal», beide Sprachen zu sprechen. Man<br />

mag es aber gar nicht glauben, wie viele<br />

Menschen auch in Deutschland, wenn sie<br />

zum ersten Mal von der Existenz der sorbischen<br />

Sprache <strong>und</strong> ihrer Sprecherinnen <strong>und</strong><br />

Sprecher erfahren, allen Ernstes glauben,<br />

dass Sorben in der Regel nur Sorbisch sprächen.<br />

Das Einsprachigkeitsparadigma ist so<br />

tief verankert, dass es manchen empirischen<br />

Wirklichkeiten standhält. In dieser Situation<br />

sind nationale Minderheiten aufklärend <strong>und</strong><br />

bringen eine Erkenntnisressource zum Tragen:<br />

So wissen wir, dass man in einem Staat<br />

leben kann, aber kulturell <strong>und</strong> sprachlich anders<br />

leben kann, dass man eine Sprache als<br />

wichtiger erachten kann – in diesem Fall das<br />

Sorbische – <strong>und</strong> gleichzeitig sehr gut<br />

Deutsch sprechen kann. Das beobachten wir<br />

ja bei den von uns untersuchten Kindern –<br />

doch dazu später Genaueres. Wir können lernen,<br />

dass man in allen Lebenssituationen mit<br />

zwei Sprachen zu Recht kommen kann; <strong>und</strong><br />

wir sehen historisch auch, dass nationale<br />

Minderheiten ebenfalls anpassungsfähig<br />

sind, d. h. dass sie den fortschreitenden Prozess<br />

der technischen Zivilisation ebenfalls<br />

vollziehen <strong>und</strong> dabei ihre Sprachkompetenzen<br />

nutzen.<br />

Doch wir möchten etwas genauer auf die<br />

Sprache eingehen; Ricardo Ruiz sah das<br />

Argument der Ressource viel konkreter. Er<br />

sah es als Ressource der Menschen <strong>und</strong> eben<br />

auch der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler im Bil-<br />

■<br />

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