Witaj und 2plus - Sorbischer Schulverein e.V.
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Ankleiden<br />
der Brautjungfer<br />
in der sorbischen<br />
Kindertagesstätte<br />
«Am Hirtenquell»<br />
Crostwitz<br />
dungsprozess. In der internationalen Zweitspracherwerbsforschung<br />
ist die These vom<br />
Kontinuum der Sprachkompetenz gut belegt,<br />
d. h. der zweisprachige Mensch erwirbt zwar<br />
zwei grammatische Systeme <strong>und</strong> zwei Wortschätze<br />
– das aber eben nicht getrennt, sondern<br />
in integrierter Art <strong>und</strong> Weise. Die Sprachen<br />
stützen sich wechselseitig im Erwerbsprozess<br />
(vgl. Reich/Roth 2002), sie hängen<br />
miteinander zusammen <strong>und</strong> erzeugen eine<br />
Flexibilität des Wechselns, ein permanentes<br />
(oft kaum wahrnehmbares) Wachsein eines,<br />
wie Grosjean es nannte, bilingualen Modus,<br />
der z.B. auch den Erwerb weiterer Sprachen<br />
erleichtert <strong>und</strong> vor allem die Aufmerksamkeit<br />
<strong>und</strong> den differenzierteren Umgang mit<br />
grammatischer Regelhaftigkeit <strong>und</strong> sprachlichen<br />
Differenzen befördert (vgl. Grosjean<br />
1982). Forschungen zur zweisprachigen Bildung<br />
haben erbracht, dass unter optimalen<br />
Bedingungen auch positive Auswirkungen<br />
auf die jeweilige Zweitsprache sowie Fachleistungen<br />
zu erwarten sind (vgl. zsf. Reich/<br />
Roth 2002). Selbst in dieser Hinsicht kritisch<br />
eingestellte Analysen konnten nicht widerlegen,<br />
dass im zweisprachigen Unterricht die<br />
Lerneffekte in der Zweitsprache mindestens<br />
genauso hoch sind wie in Unterrichtsmodellen,<br />
in denen nur in der Zweitsprache unterrichtet<br />
wird (vgl. Söhn 2005). Damit ist auch<br />
die time-on-task-Hypothese (Hopf 2005) erledigt;<br />
zweisprachige Modelle erreichen mit<br />
ca. 60 % Zeiteinsatz der Zweitsprache so viel<br />
wie einsprachige mit 100 %.<br />
Zweisprachigkeit ist also nicht etwa die Entwicklung<br />
zweier getrennt voneinander zu erwerbender<br />
<strong>und</strong> zu aktivierender Sprachen,<br />
sondern ist ein Kontinuum, in dem selbst<br />
in vordergründig einsprachigen Situationen<br />
der genannte «bilingual mode» permanent<br />
mitläuft. Individuelle Zweisprachigkeit ist<br />
insofern nicht allein ein Thema der Sprachentwicklung,<br />
sondern wirkt sich in allen<br />
anderen Entwicklungsbereichen des Menschen<br />
aus, so z. B. in der für Bildungsprozesse<br />
so bedeutenden (kognitiven) Begriffsentwicklung.<br />
Angesichts dieser offenk<strong>und</strong>igen Ressource,<br />
die zweisprachig aufwachsende Kinder mitbringen,<br />
verw<strong>und</strong>ert es, dass diese in der<br />
B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland wenig genutzt<br />
wird. Neben bilingualen Schulen in Hamburg<br />
<strong>und</strong> Berlin sowie in einigen Grenzregionen<br />
(so zu Dänemark <strong>und</strong> Frankreich) gibt es<br />
lediglich einzelne Standorte. Am breitesten<br />
umgesetzt erscheint das hier in der Region<br />
des Sorbischen. Hier haben Sie zudem den<br />
großen Vorteil, dass das Sorbische eine nicht<br />
nur lebensweltlich sichtbare <strong>und</strong> verfügbare<br />
Sprache ist, sondern in manchen Regionen<br />
durchaus auch den Alltag dominiert. Das<br />
unterscheidet das Kerngebiet des Obersorbischen<br />
in der Lausitz deutlich von den bilingualen<br />
Schulen anderer Standorte.<br />
Weiterhin konnte man hier auf langjährige<br />
Erfahrungen von Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrern<br />
mit einem Unterricht in zwei lebensweltlichen<br />
Sprachen zurückgreifen – auch das ist<br />
eine Ressource, die nicht zu unterschätzen<br />
ist. Mit dem <strong>Witaj</strong>-Projekt, zu dessen zehnjährigem<br />
Bestehen dieser Beitrag entstanden<br />
ist, wird genau an diese Ressourcen angeknüpft:<br />
Erziehung <strong>und</strong> Bildung der Kinder<br />
werden von früh an auch institutionell auf<br />
zwei Sprachen ausgerichtet. Dieses wird in<br />
der Schule fortgesetzt – mit den sorbischen