Witaj und 2plus - Sorbischer Schulverein e.V.
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gesehen nach wie vor eher eine Ausnahme<br />
ist. Die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland hat sich<br />
explizit das Recht vorbehalten, selbst zu<br />
bestimmen, welche Gruppe als nationale<br />
Minderheit definiert wird. Die Kodifizierung<br />
eines «Rechts auf Sprache» bezieht sich –<br />
sieht man einmal von Schweden ab – weitgehend<br />
allein auf die nationalen Minderheiten,<br />
die lange auf den jeweiligen Territorien<br />
leben.<br />
Zweisprachigkeit<br />
als Ressource<br />
Nun haben im Zuge gestiegener Mobilitätsprozesse<br />
– sieht man einmal von ökonomisch<br />
hoch erfolgreichen Regionen wie<br />
Katalonien ab – viele sprachlichen Minderheiten<br />
das Problem einer zunehmenden Erosion,<br />
sprich die Sprecher werden weniger,<br />
weil sie aus ökonomischen Gründen den<br />
Wohnort wechseln – <strong>und</strong> der Spracherhalt<br />
über Generationen hinweg ohne Kontakt zur<br />
Sprechergruppe ist eine in Familien nur<br />
schwer zu leistende Aufgabe. In solchen<br />
Situationen stellt sich die Frage, ob nicht<br />
vielleicht die Akquirierung neuer Sprecher<br />
als «pull-Faktor», wie die Soziologen es nennen,<br />
eine Strategie darstellen kann, eine Minderheitensprache<br />
zu erhalten. Und genau an<br />
dieser Stelle kommt der Aspekt der Ressource<br />
ins Spiel.<br />
Betrachtet man noch einmal die aktuelle<br />
europäische Politik, so lässt sich feststellen,<br />
dass – jenseits aller nationalen Enge hinsichtlich<br />
der Kodifizierung von Sprachminderheiten<br />
– seit Jahren großer Wert auf die Beherrschung<br />
von drei europäischen Sprachen ge-<br />
Blick in den<br />
Konferenzraum<br />
legt wird. Dem Sprachenlernen wird eine<br />
hohe Bedeutung zugemessen: europäische<br />
Identität wird dabei nicht über eine Sprache –<br />
z.B.Englisch –, sondern dezidiert über Mehrsprachigkeit<br />
definiert. Identische Gesetze<br />
sollen einheitliche demokratische Standards<br />
sicherstellen – dies auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />
sprachlicher Vielfalt. Europa hat hier ein Ziel<br />
vor Augen, das in Afrika – zumindest was die<br />
Sprachen angeht – Realität ist. Die amerikanische<br />
Sozialphilosophin Seyla Benhabib<br />
spricht von einem «radikalen Polyglottismus»,<br />
den sie durchaus als vereinbar mit<br />
einem gemeinsamen zivilgesellschaftlichen<br />
<strong>und</strong> staatlichen Rahmen politischer Partizipation<br />
ansieht:<br />
«Während in den meisten zeitgenössischen<br />
Debatten die Anerkennung pluraler<br />
Sprachenrechte oft so dargestellt<br />
wird, als ob es sich um ein Null-Summen-Spiel<br />
handele, die Präsenz einer<br />
Sprache die anderen also verdrängen<br />
oder ausschließen müßte, befürworte ich<br />
einen ‹radikalen Polyglottismus› in der<br />
Zivilgesellschaft, in der Öffentlichkeit<br />
<strong>und</strong> im Erziehungswesen» (Benhabib<br />
1999, S. 65).<br />
Man muss es vielleicht nicht bis zu einem<br />
neuen Babelturm treiben, aber es ist erkennbar,<br />
dass die offizielle europäische Politik<br />
von einem positiven Verständnis sprachlicher<br />
Diversität ausgeht, hinter dem manche<br />
Nationalstaaten deutlich zurückbleiben.<br />
In dieser Situation können unseres Erachtens<br />
die nationalen Minderheiten mit ihren verbrieften<br />
Rechten eine Vorreiterrolle erhalten<br />
<strong>und</strong> ihre Ressource eines jahrh<strong>und</strong>ertelangen