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FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94 101<br />

nun „Betroffenheit" auslösen, wie auch Gegenstand<br />

der Bearbeitung dieser Betroffenheit<br />

werden. Zum anderen kann mit Verweis auf<br />

ihre Anwesenheit und daraus resultierende Folgeproblematiken<br />

„Gerechtigkeit und Gleichheit<br />

weltweit" als einzige sowohl moralische<br />

als auch politische Möglichkeit der Problembewältigung<br />

eingeklagt werden: moralisch als<br />

Wiedergutmachung an den Migranten, für die<br />

sofortige rechtliche Gleichstellung eingeklagt<br />

wird, und an den „Noch-nicht-Gekommenen"<br />

in den Herkunftsländern; politisch als Mittel<br />

zur „Bekämpfung der Fluchtursachen". Diese<br />

mit der Mobilisierungsformel der DWB eröffneten<br />

Möglichkeiten lassen die Bewegung aber<br />

nun auf Argumentationsfiguren zurückgreifen,<br />

die sich in ihren Konsequenzen nicht so sehr<br />

von dem unterscheiden, was man aus der Perspektive<br />

der DWB „den Herrschenden" vorwirft,<br />

nämlich „Angst vor Migration und Überfremdung<br />

zu schüren". Dies wollen wir nachfolgend<br />

verdeutlichen.<br />

2. „Multikulturalismus" und<br />

„Anti-Rassismus" als programmatische<br />

Diskurse der DWB<br />

Die politische Bearbeitung von Migration und<br />

ihren sozialen Folgen bezieht sich in der jüngeren<br />

Geschichte der BRD wesentlich auf drei<br />

verschiedene Wanderungsbewegungen: Arbeitsmigration<br />

seit Mitte der 50er Jahre, Zuwanderung<br />

von Asylbewerbern verstärkt seit<br />

Ende der 70er Jahre, Zuwanderung von Aussiedlern<br />

mit dem Zusammenbruch des Ostblocks<br />

seit Mitte der 80er Jahre. Die Bundesrepublik<br />

wurde so im Verlauf der 80er Jahre<br />

und mit Beginn der 90er Jahre zu dem westlichen<br />

Land mit den höchsten Zuwandererzahlen,<br />

für das zugleich seitens der Regierung erklärt<br />

wird, es sei kein Einwanderungsland. Politische<br />

Auseinandersetzungen um Migration drehten<br />

sich daher bis heute wesentlich um die<br />

Fragen, welche Rechte lange hier lebenden Zu-<br />

wanderem und ihren Familien zuzuerkennen<br />

seien, 5<br />

ob der Asylparagraph des Grundgesetzes<br />

erhalten oder abgeschafft werden soll oder<br />

ob dieser Paragraph mißbräuchlich in Anspruch<br />

genommen werde, ob schließlich die Zuwanderung<br />

von Aussiedlern weiterhin als das<br />

Recht von im Prinzip deutschen Staatsbürgern<br />

behandelt werden soll oder ob diese Zuwanderung<br />

kontingentiert oder perspektivisch abschließend<br />

geregelt werden soll (vgl. dazu zusammenfassend<br />

Bade 1992). Will man die von<br />

allen bisherigen Bundes- und fast allen Landesregierungen<br />

verfolgte, nur in Schattierungen<br />

differente Politik gegenüber Migranten zusammenfassend<br />

kennzeichnen, dann ist festzustellen:<br />

Gegenüber Arbeitsmigranten und ihren<br />

Familien wurde eine Politik der sozialen<br />

Integration bei weitgehend fortgeschriebener<br />

Absperrung der Einbürgerungsoption verfolgt.<br />

Gegenüber Aussiedlern wurden die zunächst<br />

großzügigen Emgliederungsmaßnahmen mit<br />

dem Anwachsen ihrer Zahl reduziert und gegenüber<br />

Asylbewerbern wurde seit Ende der<br />

70er Jahre eine Pohtik der forcierten Abschrekkung<br />

bis hin zum sogenannten „Asylkompromiß"<br />

etabliert. Die Dynamik dieser politischen<br />

Entwicklungen läßt sich systematisch nur erfassen,<br />

wenn sie auf die Strukturprobleme bezogen<br />

wird, die westliche, nationale Sozialstaaten<br />

unter Bedingungen weltwirtschaftlicher<br />

Umbrüche, des Zusammenbruchs des Ostblocks<br />

sowie weltweiter Migrationsbewegungen<br />

kennzeichnen. Darauf ist hier nicht im Detail<br />

einzugehen (vgl. dazu Bommes 1994).<br />

Zentrales Stichwort in der programmatischen<br />

Auseinandersetzung über den angemessenen<br />

Umgang mit Migration und ihren Folgen ist<br />

seit Beginn der 80er Jahre „Multikulturelle<br />

Gesellschaft". Unterschiedliche Positionen zu<br />

Fragen der Einbürgerung, Integration und politischen<br />

Partizipation von Migranten, zur Öffnung<br />

oder Schließung von Grenzen sowie zur<br />

Konzipierung einer Einwanderungspolitik kri-

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