Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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104 FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94<br />
der jeweils in den Blick genommenen Kulturen.<br />
Ihre Macht- und Herrschaftsverhältnisse<br />
legitimierenden Werte und Normen werden<br />
nicht thematisiert (vgl. Sarkar 1993; Nussbaum<br />
1993). An deren Stelle tritt eine dichotomische<br />
Gegenüberstellung der negativ bewerteten<br />
„Kultur des europäischen weißen Mannes" zu<br />
den dieser vermeintlich grundsätzlich überlegenen<br />
Kulturen.<br />
Unklar bleibt in einschlägigen Texten auch das<br />
Verständnis von Kultur, des Verhältnisses von<br />
Kultur und Ökonomie, Kultur und Gesellschaft<br />
etc. (vgl. z.B. die Beiträge im Heft 153/1988<br />
der Blätter des iz3w sowie Scherr 1989). Zwar<br />
wird der projektive Charakter der Suche nach<br />
der intakten, authentischen und lebensbejahenden<br />
Kultur der vorindustriellen Gesellschaft in<br />
zahlreichen Texten ebenso reflektiert (vgl. etwa<br />
Fohrbeck/Wiesand 1983) wie betont wird, daß<br />
kulturelle Formen aus ihren gesellschaftlichen<br />
Verflechtungen nicht herauszulösen sind. Dies<br />
hindert jedoch nicht daran, Verweise auf vorindustrielle<br />
„Kulturen" (im Sinne der kulturanthropologischen<br />
Gleichsetzung von Kultur<br />
und Gesellschaft) als Vorbilder für Entwürfe<br />
eines „anderen Lebens" zu beanspruchen (vgl.<br />
Bahr/Gronemeyer 1978).<br />
Analytisch fragwürdige bzw. unbrauchbare Begriffe<br />
wie „kulturelle Identität", „Volk bzw.<br />
Völker", „Ethnie" werden wiederkehrend und<br />
unreflektiert gebraucht. Die Aussage etwa, daß<br />
ein „Volk" sich durch eine gemeinsame Kultur<br />
auszeichne und berechtigt sei, diese gegen Einflüsse<br />
von außen zu wahren bzw. zu verteidigen,<br />
wird als politisch konservativ bewertet<br />
werden, wenn damit das „deutsche Volk" gemeint<br />
ist. Sie kann sich jedoch theoretisch bereits<br />
bei Fanon (1966, S. 158ff.) und praktisch<br />
in Kontexten der Nicaragua-Bewegung oder<br />
der Manifestkultur der DWB (vgl. z.B. das<br />
sog. „Osnabrücker Manifest" in Massarrat u.a.<br />
1993, S. 497-505, hier S. 504) als Ausdruck<br />
einer solidarischen Haltung mit der Dritten Welt<br />
darbieten. 9<br />
Die Beanspruchung universalistischer Positionen<br />
(etwa der Allgemeingültigkeit der in der<br />
Erklärung der Menschenrechte formulierten<br />
Normen) wird dabei unter den Verdacht gestellt,<br />
selbst Ausdruck der Macht- und Herrschaftsansprüche<br />
der europäischen Zivilisation<br />
zu sein. 10<br />
Mit dem Argument, der Eigensinn<br />
jeweiliger Kulturen sei als oberstes Prinzip anzuerkennen,<br />
wird die Möglichkeit einer universalistische<br />
Prinzipien beanspruchenden Kritik<br />
aufgegeben (vgl. Bruckner 1984, S. 166ff.;<br />
Finkielkraut 1989, S. 57ff.).<br />
Die Betonung des Gegensatzes zwischen der<br />
Kultur moderner (industrieller, naturzerstörender,<br />
dynamischer, formalrationaler) und traditionaler<br />
(ganzheitlicher, lebensbejahender)<br />
Gesellschaften vermag, was immer analytisch<br />
davon zu halten ist, im Diskurs der DWB einen<br />
weiteren Bezugspunkt des moralischen<br />
Protestes gegen weltweite Ungleichheitsverhältnisse<br />
zu etablieren. Nicht nur ökonomische<br />
Ausbeutung, politische Machtausübung<br />
und die Vernichtung ökologischer Ressourcen<br />
werden so zum Problem erklärt, sondern auch<br />
die Zerstörung von anderen, „blühenden Kulturen"<br />
„durch die marktwirtschaftliche Dominanzkultur"<br />
(Kaufmann 1992, S. 180).<br />
3.2. Aspekte des Rassismusdiskurses<br />
in der DWB<br />
Bereits 1980 konnte man die Warnung Meillasoux'<br />
(1980) vor der Ethnologisierung der Einwanderungsfrage<br />
nachlesen. Das hat die kulturalisierende<br />
Ethnisierung der Migrationsproblematik<br />
nicht verhindert, die dazu beigetragen<br />
hat, daß der skizzierte Kulturdiskurs der<br />
DWB Anschluß an die Migrationsdebatte in<br />
der Bundesrepublik fand. Dabei konnte die<br />
DWB einen ihr eigenen Thematisierungs-