18.10.2013 Aufrufe

Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94 71<br />

Spektrum kommt andererseits eine große Mobilisierbarkeit<br />

bei den wesentlich moralisch vorgetragenen<br />

Themenkomplexen der DWB zu,<br />

insofern in der christlichen Tradition ein Universalismus<br />

der „Barmherzigkeit" Gültigkeit<br />

besitzt. Durch ihre herausragende Stellung<br />

im politischen Raum können die Kirchen zugleich<br />

Bewegungsthemen öffentlichkeitswirksam<br />

verstärken. Umgekehrt wirkt die aus der<br />

Heterogenität der Mitgliederbasis resultierende<br />

„Mittlerrolle" einerseits disziplinierend auf<br />

Extrempositionen, wie sich solche Positionen<br />

andererseits auch an den organisatorischen Prämissen<br />

der Kirchen brechen, die im Zweifelsfall<br />

für sich selbst optieren. 17<br />

e) Die Dritte-Welt-Bewegung<br />

Unter diese Kategorie lassen sich die Akteure<br />

fassen, die in ihrer Kommunikations weise (Protest<br />

entlang der interpretierten Generalformel<br />

„Gleichheit und Gerechtigkeit weltweit" zu artikulieren)<br />

Zugehörigkeit zur Bewegung erkennbar<br />

18<br />

machen. Dazu zählen z.B. die Gruppen,<br />

die sich im „Bundeskongreß entwicklungspolitischer<br />

Aktionsgruppen" (BUKO) zusammengeschlossen<br />

haben. Der BUKO koordiniert<br />

die Aktivitäten der Einzelgruppenmitglieder<br />

und sorgt für den Informationsfluß. Zusätzliche<br />

Dienstleistungen werden zudem von Koordinations-<br />

und Informationsbüros übernommen.<br />

Gelingt der DWB nun, wie weiter oben<br />

dargelegt, ihre Selbstfortschreibung auch aufgrund<br />

der vielseitigen Verwendbarkeit ihrer<br />

Generalformel, so ist sie zugleich Teil eines<br />

Feldes, in dem unvermeidbare Verfehlung deklarierter<br />

normativer Zielsetzungen - "Gleichheit<br />

und Gerechtigkeit durch Entwicklung" -<br />

für Protest genutzt werden kann. Dem politischen<br />

System, das als Spitze der Gesellschaft<br />

und damit als Instanz „der Herrschenden der<br />

Ersten Welt", verkörpert in einem Ministerium,<br />

verstanden wird und dessen Begrenzungen<br />

von allen Beteiligten gesehen werden, kann<br />

Versagen in der Entwicklungspolitik vorgeworfen<br />

werden. Dieser Vorwurf kann periodisch<br />

entlang der wechselnden Programmatiken zur<br />

Interpretation der Zielformel „Entwicklung" als<br />

Versprechen des Zustandes von „Gleichheit und<br />

Gerechtigkeit" für die Zukunft jeweils neu vorgetragen<br />

werden. Dabei führt die Einsicht in<br />

die Grenzen des Entwicklungsministeriums<br />

nicht zur Klärung, inwieweit die politische Etablierung<br />

eines Organisationszusammenhangs,<br />

der sich an solchen normativen Zielsetzungen<br />

ausrichtet, überhaupt Sinn macht. Vielmehr beziehen<br />

sowohl die Organisationen als auch die<br />

DWB Legitimationsgewinn daraus, daß sie<br />

die besondere, übergreifende Bedeutung der<br />

„Nord-Süd-Problematik" behaupten und diese<br />

semantische Überspielung der Aporien einer<br />

„Entwicklungspolitik" in konfliktiver Absicht<br />

an die politischen Entscheidungsinstanzen<br />

adressieren. Nichtbeachtung bzw. Zurückweisung<br />

dieser Behauptung stiftet sodann weitere<br />

Identität der Bewegung.<br />

Das Verhältnis zu den NRO und zu den Kirchen<br />

ist ambivalent. Diese selbst tragen wiederkehrend<br />

ihre Ansprüche im Anschluß an<br />

und in limitierter Subventionierung von Protestkommunikation<br />

vor. Sofern sie aber Zieldeklarationen<br />

und Protest in Organisation übersetzen,<br />

brechen sie in der praktischen Organisation<br />

mit der Form der Protestkommunikation,<br />

die sich wesentlich an andere adressiert<br />

und deren Verantwortung einklagt. Sie werden<br />

so umgekehrt genauso wiederkehrend zum<br />

Adressaten von Protest, sofern ihre Organisationspraxis<br />

ebenfalls leicht wegen Zielverfehlung,<br />

unzulässiger Kompromißbereitschaft oder<br />

gar Kollaboration mit den Regierungen („den<br />

Herrschenden") kritisiert werden kann.<br />

Semantisch wird die entwicklungspolitische<br />

Arena dabei mit gemeinsamen Deutungsschemata<br />

bearbeitet, die die Generalformel „Gleichheit<br />

und Gerechtigkeit weltweit" interpretie-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!