18.10.2013 Aufrufe

Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

66 FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94<br />

die neuen sozialen <strong>Bewegungen</strong> im Prozeß ihrer<br />

Selbsterzeugung anzuschließen vermochten.<br />

Lösen sich die Teile der Studentenbewegung,<br />

die sich an der Selbstbeschreibung als Fortsetzung<br />

des revolutionären Teils der Arbeiterbewegung<br />

auszurichten beginnen, in den 70er<br />

Jahren in den dogmatischen Verkleidungsversuchen<br />

der K-Gruppen auf, so vermag der Teil,<br />

der sich als DWB formiert, sich bis heute fortzuschreiben.<br />

Dies liegt zunächst an der in den<br />

60er und auch noch 70er Jahren plausiblen<br />

Ausrichtung an einem Programm, in dem es<br />

weltweite Gleichheit und Gerechtigkeit von der<br />

Ersten Welt, den kapitalistischen Metropolen,<br />

gemeinsam mit den Befreiungsbewegungen in<br />

der Dritten Welt einzuklagen galt. 6<br />

Das Vermögen<br />

der Mobilisierung und Rekrutierung von<br />

Mitgliedern mittels der Formel „Gerechtigkeit<br />

und Gleichheit weltweit" bestand dabei darin,<br />

daß hier nicht nur an Traditionen der Arbeiterbewegung,<br />

sondem auch an kirchliche Gerechtigkeitspostulate<br />

im Hinblick auf die Armen<br />

der Welt angeschlossen werden konnte.<br />

Die Ausrichtung des Protestes an den sog. Befreiungsbewegungen<br />

der Dritte Welt stieß aber<br />

gerade in dem Maße auf Probleme, wie diese<br />

<strong>Bewegungen</strong> erfolgreich waren. Es stellte sich<br />

jeweils schnell heraus, daß die Erfolge in Kriegen<br />

und/oder Revolutionen nicht schlicht die<br />

politische Befreiung von „Völkern" 1<br />

als Voraussetzung<br />

für die anschließend erwartete ökonomische<br />

Besserstellung durch sozialistische<br />

Umbauversuche darstellten, sondern Teil von<br />

schwierigen, in sich widersprüchlichen und<br />

komplexen politischen Systembildungsprozessen<br />

im Anschluß an durchgesetzte Dekolonialisierung<br />

waren, zum Teil mit verheerenden<br />

Wirkungen nach innen und außen (z.B. Vietnam,<br />

Kambodscha, Mosambique, Angola). Zurück<br />

blieb die Ausrichtung an der Generalforderung<br />

nach „weltweiter Gerechtigkeit und<br />

Gleichheit", die sich zwar ihres Protestadres­<br />

saten Erste Welt gewiß blieb, deren programmatische<br />

Ausformulierang mittels der heroischen<br />

Konstruktion von Völkern als Großsubjekten<br />

der nationalen politischen Emanzipation<br />

und einer daran anschließenden ökonomischen<br />

Transformation unter sozialistischen Vorzeichen<br />

sich aber nicht länger durchhalten ließ.<br />

An ihr Ende gerieten diese Vorstellungen bezeichnenderweise<br />

nicht da, wo Dekolonialisierungsprozesse<br />

zum inneren Desaster wie<br />

etwa in Kambodscha führten, sondern da, wo<br />

- wie im Falle Nicaraguas - Versuche der Etablierung<br />

einer von der DWB erhofften und z.T.<br />

kontrafaktisch gesehenen sozialistischen Politik<br />

nicht schlicht einem Dmck von außen durch<br />

die USA zum Opfer fielen, sondern durch Abwahl<br />

der Regierung vom „Volke" selbst beendet<br />

wurden. „Normale" Nationalstaaten eignen<br />

sich nicht zur Konstraktion der Außenposition,<br />

von der aus gegen die Erste Welt protestiert<br />

werden kann.<br />

Aber das Ende der Erwartung der Selbstbefreiung<br />

der „Völker" ebenso wie die Etablierung<br />

von formal souveränen Staaten in der sog.<br />

Dritten Welt, die sich in den politisch-diplomatischen<br />

Weltverkehr einklinken, bedeuten offensichtlich<br />

nicht das Ende der DWB. Dies<br />

hängt nicht zuletzt damit zusammen, daß seit<br />

Ende der 70er Jahre andere, nämlich die neuen<br />

sozialen <strong>Bewegungen</strong> Konjunktur haben, die<br />

ihren Protest über andere Themen wie Ökologie,<br />

Frieden und Frauen artikulieren. Die genannten<br />

Verschiebungen setzen die DWB im<br />

Kontext der BRD unter Druck, zwingen sie<br />

zum Umbau ihrer Weltkonstruktion 8<br />

und eröffnen<br />

dabei gleichzeitig Auswege aus den bis<br />

dahin erzeugten Dilemmata durch neue Anschlußmöglichkeiten.<br />

Selbstkritik in der Bewegung<br />

am Verhältnis zu den jeweils favorisierten<br />

Ländern und <strong>Bewegungen</strong> der Dritten<br />

Welt war bereits frühzeitig Bestandteil der Bewegung<br />

(s. dazu Balsen/Rössel 1986 sowie<br />

Bräuer in diesem Heft). Seit Beginn der 80er

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!