18.10.2013 Aufrufe

Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94 105<br />

Schwerpunkt etablieren: Migranten als „Die<br />

Dritte Welt bei uns". Es erübrigt sich, die Diskussion<br />

um die „multikulturelle Gesellschaft"<br />

hier zu skizzieren, sie umfaßt im rechten wie<br />

im linken Spektrum Befürworter wie Gegner."<br />

Rekonstruiert man Texte der DWB als Mobilisierungskommunikation<br />

für Protest gegen „die<br />

Erste Welt", „den Norden", dann findet sich<br />

darin bis heute das Plädoyer für „ein multikulturelles<br />

Zusammenleben" zwischen „Deutschen"<br />

und „Ausländern", für ein „Kennenlernen<br />

der Kulturen"; für „interkulturellen Austausch"<br />

und für „Respekt vor den fremden Kulturen".<br />

Nimmt man in solchen Wendungen an<br />

der Konzipierung von Migration als Kulturdifferenzproblem<br />

zwischen „Völkern" bzw. „Ethnien"<br />

teil, 12<br />

so wird in jüngster Zeit insbesondere<br />

vor dem Hintergrund der Anschläge auf<br />

Flüchtlings wohnheime die Multikulturalismusdiskussion<br />

von einer Rassismusdiskussion überlagert<br />

und zum Teil verdrängt.<br />

In dieser Diskussion wird nicht so sehr auf das<br />

volkspädagogische Programm „Lernen von<br />

Toleranz und Akzeptanz im Verhältnis zu fremden<br />

Kulturen" gesetzt, sondern auf die Anklage<br />

diskriminierender Strukturen und Ideologien,<br />

die als genuiner Bestandteil der Herrschaftsund<br />

Ausbeutungsverhältnisse zwischen der Ersten<br />

und Dritten Welt betrachtet werden. Theorien<br />

des Rassismus verbinden im Unterschied<br />

zu Konzepten des Multikulturalismus die Kritik<br />

politischer und alltäglicher „Fremdenfeindlichkeit"<br />

eng mit der Kritik der Geschichte<br />

und Gegenwart „internationaler Herrschaftsverhältnisse"<br />

und fassen bezogen auf Migration<br />

„Rassismus" als Herrschaft der Ersten über<br />

die Dritte in der Ersten Welt auf. Die Rede<br />

vom sozialwissenschaftlich „modernisierten<br />

Rassismus", der sich vor allem auf Kulturdifferenz<br />

als unaufhebbaren Unterschied zwischen<br />

Völkern stütze, legt eine Kontinuität gegenwärtiger<br />

Ideologien und Praktiken der Dis­<br />

kriminierung zum klassischen Rassismus nahe,<br />

der als Begründungs- und Rechtfertigungszusammenhang<br />

des klassischen Kolonialismus<br />

verstanden werden kann.<br />

Auch auf diese Diskussion kann in ihren theoretischen<br />

Verzweigungen nicht eingegangen<br />

werden (vgl. dazu Hall 1989, Clausen 1994),<br />

sondem es soll einzig die Anmerkung gemacht<br />

werden, daß die politisch-moralische Verwendbarkeit<br />

des Rassismusvorwurfs oft die analytische<br />

Unplausibilität der verwendeten Konzepte<br />

in Bewegungstexten verdeckt. 13<br />

Generell be­<br />

steht die Gefahr, daß das politische Etikett<br />

„Rassismus" sowie die Redeweise vom „strukturellen<br />

Rassismus" eine historisch spezifische<br />

Analyse von Formen sozialer Diskriminierung<br />

in modernen Gesellschaften sowie der sich<br />

wandelnden Formen der Diskriminiemng zugunsten<br />

politischer Vereindeutigungen und Homogenisierangen<br />

für Protestzwecke verdeckt.<br />

Theoretisch gesprochen ist es nicht überzeugend,<br />

die allgemeine Kategorie der Diskriminierung,<br />

verstanden als Bezeichnung einer sozialen<br />

Praxis, in der an verwendete askriptive<br />

und kaum zurückweisbare Unterscheidungen<br />

zur Bezeichnung von Individuen oder Gmppen<br />

Bevor- oder Benachteiligungen gebunden<br />

werden (können), durch die Ablehnung eben<br />

einer solchen Unterscheidung - „Rassismus"<br />

als etikettierende Ablehnung der Unterscheidung<br />

„Rasse" - zu ersetzen. Die vielfältigen<br />

Formen und Rechtfertigungen von Diskriminierung<br />

werden hier grob vereinfachend auf<br />

ein singuläres Muster zurückgeführt.<br />

Zusammenfassend wäre daher für Rassismuskonzepte<br />

wie für Konzepte multikultureller Gesellschaft<br />

im Bewegungskontext festzuhalten,<br />

daß es sich auch hier eher um Mobilisierangskonzepte<br />

handelt, die den Protest der DWB als<br />

nun konkret erlebbar strukturieren: Verständigung<br />

mit fremden Kulturen und Toleranz als<br />

Wiedergutmachung an der Dritten Welt vor

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!