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Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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172 FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94<br />

ren und Gründe für Abweichung und Nichtanerkennung<br />

formulieren und die Gerhards<br />

(1991) etwas unglücklich als „imperialistisches<br />

Lexikon" bezeichnet hat. 19<br />

Deutungsschemata<br />

stellen Interpretationsrahmen dar, die die beteiligten<br />

Akteure je nach Kontext und Motivlage<br />

in verschiedenen Formen ausfüllen können.<br />

Sie generieren kausale Argumentationsketten<br />

in bezug auf Weltzusammenhänge und Interdependenzen.<br />

Innerhalb solcher Gesamtrahmen<br />

lassen sich dann Einzelthemen „ausbuchstabieren",<br />

Abgrenzungslinien sowie Anknüpfungspunkte<br />

zu anderen Themen und <strong>Bewegungen</strong><br />

herstellen und so politische Entscheidungen<br />

und Probleme in ihrer Relevanz für<br />

die Dritte Welt konstruieren. Die Kernstruktur<br />

der Argumentationen in solchen Schemata stellt<br />

sich etwa so dar: Die Beziehungen zwischen<br />

Nord und Süd werden als kapitalistische Ausbeutungsverhältnisse<br />

interpretiert; Herrschaft<br />

wird über den Besitz an Produktions und Kapital<br />

sowie über die von den Industrieländern<br />

dominierten internationalen Institutionen (Banken,<br />

IWF, GATT etc.) aufrechterhalten; Ausbeutungsstrukturen<br />

manifestieren sich in einem<br />

Weltmarkt, der auf Übervorteilung der<br />

Dritten Welt durch die Metropolen basiert; nationale<br />

Eliten des Südens sind häufig Kollaborateure.<br />

Auf dieser Basis lassen sich dann verschiedene<br />

Themen wie z.B. Verschuldung der<br />

Dritten Welt kommunizieren, in denen die Argumentationsgrundstruktur<br />

entfaltet werden<br />

kann. So sind die „Herrschaftsverhältnisse" verantwortlich<br />

für die „...Verschuldung der Dritte-Welt-Länder,<br />

Verelendung und Tod der dort<br />

lebenden Menschen, Zerstörung der ökologischen<br />

Lebensvoraussetzungen, besondere Belastung<br />

der Frauen, Waffenexport in die Dritte<br />

Welt als besondere Form der Ausbeutung, Exodus<br />

verelendeter Bürger, die dann in der Ersten<br />

Welt um Asyl nachfragen, Arbeitslosigkeit<br />

und Sozialabbau in der Ersten Welt als<br />

Folge des gleichen kapitalistischen Systems..."<br />

(Gerhards 1991, S. 228). Solche Deutungs­<br />

schemata 20<br />

tragen eine für die Bewegung zen­<br />

trale Unterscheidung: Das Thema ist immer<br />

schon in konfliktiver Absicht auf einen Gegner<br />

(„Schuldige") als Anlaufstelle für Protest gelenkt<br />

und zugleich als Mobilisierungskommunikation<br />

an potentielle Unterstützer adressiert.<br />

Diese Unterstützer können Akteure der entwicklungspolitischen<br />

Arena oder andere „Bewegungsbewegte"<br />

der neuen sozialen <strong>Bewegungen</strong><br />

sein, an deren Diskurse die Mobilisierungskommunikation<br />

der DWB - so wie oben<br />

erläutert - angeschlossen werden kann.<br />

4. Schluß<br />

Faßt man die Argumentation zusammen, dann<br />

ergibt sich, daß die DWB ihre auf den ersten<br />

Blick erstaunliche Dauer wesentlich zwei Zusammenhängen<br />

verdankt:<br />

a) ihrer vielseitig verwendbaren Generalformel<br />

mit Anschlußfähigkeit an andere <strong>Bewegungen</strong><br />

und politische Konstellationen;<br />

b) einer Arena, die die Möglichkeit der Fortsetzung<br />

des Themas „Dritte Welt" als Protestthema<br />

mit identifizierbaren Adressaten für den<br />

Protest eröffnet. Damit wird zum einen einsichtig,<br />

warum die Bewegung mit vergleichsweise<br />

wenig spektakulären Ereignissen auskommt,<br />

denn das Feld kommt auch bei Interpretationsproblemen,<br />

wie das Issue Entwicklung<br />

aktuell zu konzipieren ist, nicht abhanden.<br />

Andererseits läuft sie da, wo sie den Bogen<br />

der Anschlußfähigkeit an andere <strong>Bewegungen</strong><br />

überspannt, Gefahr, sich in diesen zu<br />

verlaufen: C0 2-Reduktion vor Ort als „Nord-<br />

Süd-Ausgleich" oder „Entwicklung für den<br />

Norden" zu interpretieren, ist semantisch möglich,<br />

aber auf Dauer eben wohl auch schlicht<br />

überflüssig. Es sollte deutlich geworden sein:<br />

Die DWB ist eine soziale Bewegung, deren<br />

Besonderheit zu erforschen sich für die Bewegungsforschung<br />

lohnt.

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