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FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94 85<br />

Institutionen und westlichen Industrieländern<br />

scheint sich viel stärker um wirtschaftspolitische<br />

Rahmenbedingungen zu kümmern<br />

denn um menschenrechtliche Unbestechlichkeit<br />

und Glaubwürdigkeit. Vor allem die fehlende<br />

Einmischung bei Verletzungen wirtschaftlicher,<br />

sozialer und kultureller Menschenrechte<br />

- z.B. verbunden mit nationaler Verantwortung<br />

bei fehlenden Landreformgesetzen oder mit internationaler<br />

Verantwortung bei Weltbankprojekten,<br />

die z.T. zu Zwangsvertreibungen und<br />

-Umsiedlungen (damit direkt zu Menschenrechtsverletzungen<br />

führen) - verweist auf die<br />

fehlende universelle Einforderung von Menschenrechten<br />

durch die Industrieländer. Hier<br />

erweist es sich als folgenschwerer Mangel, daß<br />

die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen<br />

Menschenrechte (WSK-Rechte) besonders im<br />

westlichen Politikverständnis so lange eine untergeordnete<br />

Rolle gespielt haben. Entsprechend<br />

unterentwickelt ist das Instrumentarium<br />

zur Durchsetzung dieser Rechte, zu denen die<br />

Rechte auf angemessene Nahrung, Wohnung,<br />

Arbeit, Gesundheit und Bildung gehören. Erst<br />

1987 hat der Wirtschafts- und Sozialrat der<br />

VN (ECOSOC) ein Komitee zur Überwachung<br />

dieser Rechte eingesetzt. Auch diesem Komitee<br />

gegenüber sind die Staaten nur berichtspflichtig.<br />

Offizielle Beschwerdeverfahren, die<br />

für bürgerliche und politische Menschenrechte<br />

gelten - sei es als Staaten- oder Individualbeschwerden<br />

-, gibt es nicht.<br />

3.2. Der Ost-West-Konflikt dominierte<br />

lange Zeit die Menschenrechtsdiskussion<br />

Die skizzierte Diskrepanz in der Menschenrechtspolitik<br />

der westlichen Staaten - Einforderung<br />

einiger bürgerlicher und politischer<br />

Rechte auf der einen und Nichtbeachtung<br />

wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte<br />

auf der anderen Seite - hat ihre<br />

Ursache in dem die Nachkriegsgeschichte<br />

dominierenden Ost-West-Konflikt. Im Westen<br />

war das leitende Menschenrechtskonzept sehr<br />

lange auf die bürgerlichen und politischen<br />

Rechte beschränkt. Sie galten als die eigentlichen<br />

Menschenrechte, die, als liberale Abwehrrechte<br />

formuliert, vor Übergriffen des Staates<br />

schützen sollten. Die wirtschaftlichen, sozialen<br />

und kulturellen Rechte wurden demgegenüber<br />

als positive Rechte bezeichnet, als Politikzielvorstellungen,<br />

die von den jeweiligen Staaten<br />

- mit wachsendem Wohlstand - umgesetzt<br />

werden könnten. Der Osten betonte demgegenüber<br />

die Bedeutung der wirtschaftlichen Menschenrechte.<br />

Der Kern der Menschenrechtsidee,<br />

die Achtung der Menschenwürde, erforderte<br />

in östlicher Sichtweise vor allem eine<br />

Absicherung der Grundbedürfnisse. Bürgerliche<br />

und politische Rechte wurden als nur in<br />

zweiter Linie notwendig betrachtet.<br />

Dieser ideologische Gegensatz machte nicht<br />

nur für Jahrzehnte eine fruchtbare Diskussion<br />

in den Vereinten Nationen darüber, wie man<br />

die Durchsetzung beider Teile der Menschenrechte<br />

vorantreiben könnte, unmöglich, sondern<br />

bestimmte auch die außenpolitische Rhetorik<br />

in der Zeit des kalten Krieges. Unabhängig<br />

von dieser Rhetorik spielten beide Blöcke<br />

ein doppelbödiges Spiel im Rahmen ihrer Menschenrechtspolitik.Menschenrechtsverletzungen<br />

in Diktaturen übersah der Westen genauso<br />

wie er versuchte, sozialistische Befreiungsbewegungen<br />

und Staaten zu destabilisieren. Der<br />

Osten hatte demgegenüber keinerlei Bedenken,<br />

im Rahmen von Zwangskollektivierungen traditionelle<br />

Rechte wie Landrechte und das Recht<br />

auf Wohnung zu zerstören bzw. Staaten zu fördern,<br />

die ebenso verfuhren (z.B. Äthiopien).<br />

Lange Zeit konnten Entwicklungsländer den<br />

Konflikt zwischen Ost und West durch Ausspielen<br />

der Lager für sich nutzen, gab es doch<br />

immer zwei Optionen, um finanzielle oder auch<br />

militärische Hilfe zu erhalten.

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