Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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WZ2<br />
In den üblichen Aufzählungen einzelner sozialer<br />
<strong>Bewegungen</strong>, die dem Containerbegriff der<br />
Neuen <strong>Soziale</strong>n <strong>Bewegungen</strong> zugerechnet<br />
werden, findet sich zumeist auch die Dritte-<br />
Welt-Bewegung. Schon der Begriff „Dritte-<br />
Welt-Bewegung " ist indes nicht unumstritten.<br />
Mit ihm konkurrieren in der Literatur die<br />
Bezeichnungen Internationalismus- und<br />
Solidaritätsbewegung, was auf einen nicht<br />
geringen Interpretationsspielraum hinweist. 1<br />
Wie die Ökologiebewegung, die Friedensbewegung<br />
oder auch die Frauenbewegung<br />
konnte die Dritte-Welt-Bewegung in der<br />
Hochphase der neuen sozialen <strong>Bewegungen</strong><br />
öffentliche Aufmerksamkeit erzielen und<br />
beachtliche politische Mobilisierung bewerkstelligen.<br />
Auf den ersten Blick mag es daher<br />
verwunderlich scheinen, daß zur Dritte-Welt-<br />
Bewegung nur spärliche Analysen und Darstellungen<br />
vorliegen. Sie fristet in der Bewegungsforschung<br />
ein Schattendasein und erscheint<br />
im Ensemble der kollektiven Bewegungsakteure<br />
als ein - wenngleich nicht zu<br />
übersehendes - Anhängsel. Bei näherer Betrachtungfällt<br />
jedoch auf, daß die Dritte-<br />
Welt-Bewegung in besonderem Maße von der<br />
Schubkraft anderer sozialer <strong>Bewegungen</strong><br />
profitiert (hat). Dies mag dazu beigetragen<br />
haben, daß sie sich als eigenständige Bewegung<br />
wenig profilieren konnte oder wahrgenommen<br />
wird.<br />
Die Impulse der Studentenbewegung von<br />
1968, die im Zeichen von internationaler<br />
Solidarität, Antikolonialismus und Antiimperialismus<br />
nationale Befreiungsbewegungen<br />
vor allem dann unterstützte, wenn diese das<br />
Programm sozialistischer Gesellschaftstransformation<br />
auf ihre Fahnen geschrieben hatten,<br />
können als der take off der Dritte-Welt-<br />
Bewegung als einer neuen sozialen Bewegung<br />
gelten. Der Internationalismusdiskurs der<br />
Neuen Linken knüpft an die Erklärungmuster<br />
einer neo-marxistischen Analyse von ökono<br />
FORSCHUNGSJOURNAL IS SM<br />
mischer Ausbeutung und politischer Unterdrückung<br />
an. Diese wirken noch heute in den<br />
Mobilisierungsdiskursen der Dritte-Welt-<br />
Bewegung fort. In den Selbstreflexionen der<br />
Bewegungsakteure nimmt in den letzten Jahren<br />
die Auseinandersetzung mit diesem Erbe<br />
an Problemdeutungen und Zielsetzungen<br />
einen prominenten Stellenwert ein. Sie ist ein<br />
wesentlicher Ausgangspunkt der in den<br />
Selbstverständigungsdiskursen der Dritte-<br />
Welt-Bewegung getroffenen Diagnose einer<br />
Krise der Bewegung in einem eigentümlichen<br />
Schwebezustand zwischen Hoffnung und<br />
Resignation. 2<br />
Deutlich wird die Problematik<br />
der genannten Deutungsmuster zum einen<br />
aufgrund der ernüchternden politischen<br />
Erfahrung des Scheitems sozialistischer<br />
Gesellschaftsveränderung in den Staaten der<br />
Dritten Welt und der gewachsenen Skepsis<br />
gegenüber den an nationale Unabhängigkeit<br />
geknüpften Erwartungen? Zum anderen stellt<br />
die neuere entwicklungstheoretische Diskussion<br />
zunehmend auch die innergesellschaftlichen<br />
Faktoren ökonomischer und politischer<br />
Entwicklung in Rechnung und löst sich von<br />
vereinseitigenden Problembeschreibungen,<br />
die Weltmarktzusammenhänge und politische<br />
Einflußnahme von außen als externe Faktoren<br />
von Unterentwicklung, Abhängigkeit, Ausbeutung,<br />
Ungerechtigkeit und Unterdrückung in<br />
den Mittelpunkt stellen. 1<br />
Mit der Friedensbewegung teilt die Dritte-<br />
Welt-Bewegung den Aufmerksamkeitsfocus für<br />
internationale politische Prozesse und das<br />
Bemühen, traditionell der Außenpolitik zugeordneten<br />
Fragestellungen Problemakzente zu<br />
verleihen, welche eine politische Mobilisierung<br />
von Betroffenheit im nationalstaatlichen<br />
Rahmen ermöglichen? Doch in noch weitaus<br />
stärkerem Maße als die Friedensbewegung,<br />
die unmittelbare Betroffenheit über die Artikulation<br />
der Angst vor einer militärischen<br />
Auseinandersetzung mit verheerenden Folgen