18.10.2013 Aufrufe

Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94 27<br />

„Schleichwege aus der Sackgasse" industrieller<br />

Produktionsformen sieht Altvater in der „Eindämmung<br />

der Folgen" der ungleichen industriellen<br />

Entwicklung, in der „Umvermeidung"<br />

durch industriellen Abbau im Norden zugunsten<br />

einer begrenzten industriellen Entwicklung<br />

im Süden und schließlich in einer „solaren<br />

Revolution", d.h. einer grundlegenden Verlagerung<br />

der energetischen Grundlagen der lebenden<br />

Gesellschaften von fossilen Energieträgern<br />

zurück zur Sonneneinstrahlung (ebd.,<br />

S. 18; vgl. auch ders. 1992). Altvaters Annahmen<br />

über absolute Grenzen industrieller Entwicklung,<br />

erst recht die Schlußfolgerung über<br />

ein absehbares Ende des Kapitalismus mögen<br />

apodiktisch überzogen sein (s. Hein 1993, bes.<br />

S. 163ff); Klaus Eßer setzt demgegenüber vor<br />

allem auf „eine dynamische industrielle Entwicklung",<br />

die zwar „ohne steigenden Umweltverbrauch<br />

nicht zu haben" (1993b, S. 14)<br />

sei, deren reale Effekte aber nicht eindeutig<br />

seien, da ja die „Geschichte nach vorn offen"<br />

(ebd.) sei und ohnehin „ein jeder Pfad industrieller<br />

Entwicklung anders" ausfalle (ebd., S.<br />

13). Auch für Altvater erscheint „erfolgreiche<br />

'nachholende', innovative Entwicklung in bestimmten<br />

Weltregionen" - neuerdings etwa in<br />

Südchina - vorstellbar; er besteht aber darauf,<br />

dies sei eben nicht „ein verallgemeinerbares<br />

Projekt" (1993b, S. 13). Gerade angesichts der<br />

unbestreitbaren Seitenblicke der ganzen Debatte<br />

auf die Transformationsgesellschaften im<br />

östlichen Europa und in Nord- und Zentralasien<br />

(vgl. Schütz-Buenaventura 1993, S. 13)<br />

sind sowohl die Übereinstimmungen als auch<br />

die Gegensätze dieser Positionen bemerkenswert:<br />

Prinzipiell wird weder die Möglichkeit<br />

nachholender Entwicklung oder Industrialisierung<br />

bestritten, noch die Bedeutung<br />

der Umwelt-Problematik. Doch wird jene von<br />

Altvater auf einzelne Länder oder Regionen<br />

eingeschränkt, zu Lasten anderer, wie am Gegensatz<br />

zwischen der Industrieregion um Sao<br />

Paulo und dem Rest Brasiliens dargetan wird<br />

(s. Altvater 1993a, S. 7, 9); und für Eßer ist der<br />

„Umweltverbrauch" ein Problem, das sich letztlich<br />

durch den Gang des technischen Fortschritts<br />

von selbst wird lösen müssen und lassen<br />

- zweifellos die klassische und historisch<br />

nicht widerlegte Antwort auf derartige Argumente<br />

spätestens seit Thomas Mal thus. Freilich<br />

fragt es sich, ob diese Denkweise und<br />

davon abgeleitete Handlungsstrategien tatsächlich<br />

über den Rahmen hinausweisen, der einmal<br />

von Modernisierungs- und Dependenztheorie<br />

gemeinsam abgesteckt worden war (vgl.<br />

Cardoso 1981).<br />

„Unterentwicklung" ist in der Tat nicht mehr<br />

ausreichend, um gültige Strategien zu definieren.<br />

Damit könnte das „Ende der 'Dritten<br />

Welt'" nicht nur als politisches Projekt, sondern<br />

auch als analytisches Konzept in der Tat<br />

besiegelt sein. Es bliebe der Abschied von den<br />

„Großtheorien" (Menzel 1992; Eßer 1993b),<br />

das bescheidene Arbeiten an Konzepten mittlerer<br />

Reichweite, die durchaus geeignet sind, den<br />

Verlauf einzelner, nationalstaatlicher Entwicklungswege<br />

schlüssig zu erklären und vielleicht<br />

auch einzelne Regierungen anregen können,<br />

spezifische Entwicklungschancen ihrer<br />

Staaten genauer unter die Lupe zu nehmen; so<br />

mündet die Suche nach „Auswegen aus der<br />

Abhängigkeit" denn auch in die Forderung:<br />

„Von Europa lernen" (Menzel 1988; Senghaas<br />

1982). Doch wird hier nicht nur die Krisenhaftigkeit<br />

des industriellen Kapitalismus als<br />

der hegemonialen Ausformung der Moderne<br />

ignoriert, sondern auch die Tatsache, daß es so<br />

etwas wie ein für allemal erfolgreiche Entwicklung<br />

nicht gibt - man denke an das Schicksal<br />

des ersten erfolgreichen Falls überhaupt -<br />

Englands (vgl. etwa Roderick/Stephens 1981).<br />

Auch läßt sich auf dieser Ebene recht wenig<br />

über die „endogenen Hemmnisse" (Eßer 1993b,<br />

S. 13) aussagen, die industrieller Entwicklung<br />

in so vielen Fällen entgegenstehen. Gerade hier

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!