Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94 95<br />
teil. 6<br />
Das hängt u.a. damit zusammen, daß punkt sieht, wird keine Lösungen für Umwelt<br />
durch den Paradigmenwechsel in der Bevölkerungspolitik<br />
hin zu ökologischen und sicheroder<br />
andere Probleme finden."<br />
heitspolitischen Begründungen die Kritikerinnen<br />
zunehmend auch auf die geschlechterübergreifenden,<br />
globalpolitischen Implikationen<br />
dieses Themas verweisen. Sie kritisieren z.B.,<br />
daß in dieser Diskussion um Ökologie und<br />
Sicherheit Unterschiede im Produktionsverhalten<br />
und Lebensstil sowie soziale Kategorien<br />
negiert werden. Während aus ihrer Sicht im<br />
herrschenden Diskurs die Verantwortung für<br />
die ökologische Krise den Menschen allgemein<br />
zugesprochen wird, ungeachtet ihres unterschiedlichen<br />
Beitrags zur Umweltzerstörung,<br />
werden mit der Forderung nach Bevölkerungskontrolle<br />
für die Länder der Dritten Welt die<br />
Konsequenzen vor allem den sozial und ökonomisch<br />
Schwächsten zugeschoben. Die Industrieländer,<br />
die gleichzeitig im eigenen Land<br />
eine Politik der Geburtenförderung betrieben,<br />
seien allerhöchstens zu einem Nachdenken über<br />
einen ökologischen Umbau bereit. Von der<br />
Wachstumsideologie und der ihr verhafteten<br />
Wirtschafts- und Konsumpolitik ließen sie nicht<br />
ab.<br />
In einer Erklärung, die auf einem Seminar des<br />
BUKO verabschiedet wurde, heißt es: „Wir<br />
fordern daher die Umkehr der Debatte. Die<br />
Ursachen der globalen Probleme müssen angegangen<br />
werden. Nationale und internationale<br />
Politik muß endlich die Ursachen von Armut,<br />
Hunger und weltweiter Umweltzerstörung<br />
benennen und konstruktive Wege beschreiten,<br />
die sie verursachenden Strukturen zu verändern.<br />
Technokratisches Herumwerkeln an Symptomen<br />
wie z.B. dem Bevölkerungswachstum<br />
ist nur ein Ablenken von notwendigen grundlegenden<br />
Veränderungen. (...) Maßnahmen zur<br />
Bevölkerungskontrolle sind eindeutig der falsche<br />
Weg und gehen in erster Linie zu Lasten<br />
der Frauen. Die monokausale Debatte, die im<br />
„Bevölkerungsdruck" den zentralen Ansatz<br />
7<br />
3. Nord-Süd Differenzen<br />
Die Debatte der Kritikerinnen von Bevölkerungspolitik<br />
wird aber nicht nur durch den herrschenden<br />
Diskurs beeinflußt. Zunehmend stellen<br />
sich auch Differenzen in den eigenen Reihen<br />
zwischen den Frauen aus dem Süden und<br />
aus dem Norden ein. So gibt es z.B. eine Diskussion<br />
über den von westlichen Feministinnen<br />
geprägten Begriff der „reproduktiven Rechte".<br />
Feministinnen aus dem Süden kritisieren,<br />
daß dahinter ein bürgerliches Konzept von<br />
Recht steht, das individuelle Freiheit voraussetzt.<br />
Farida Akhter aus Bangladesh schreibt<br />
z.B.: „Bei der Forderung nach reproduktiven<br />
Rechten geht es um das individuelle Recht<br />
einer Frau über ihren eigenen Körper, während<br />
die ganze Frage der politischen Emanzipation<br />
ausgeschlossen wird.(...) In neo-kolonialen<br />
Gesellschaften wie Bangladesh, in der<br />
der Kampf um die Emanzipation der Frau verbunden<br />
und verflochten ist mit dem Kampf<br />
gegen die Vorherrschaft der Weltmächte und<br />
Weltmärkte, gegen Rassismus, Militarismus<br />
und sich verschlechternde Folgen des kapitalistischen<br />
Patriarchats, ist die Einengung der Forderung<br />
politisch fragwürdig und bedenklich.<br />
(...) Das reproduktive Recht beinhaltet keine<br />
Forderung zur Umstrukturierung des Umfeldes<br />
der Reproduktion. Um diese Problematik<br />
anzugehen, braucht es eine neue Sichtweise in<br />
der Beziehung zwischen Mann und Frau. Eine<br />
neue Art der Gesellschaft, die das bestehende<br />
kapitalistische Patriarchat auseinandernimmt<br />
oder umwandelt, muß aufgebaut werden. Aber<br />
mit ihrem Ruf nach reproduktiven Rechten verlangen<br />
die weißen Mittelschichtsfrauen der kapitalistischen<br />
Länder genau das eben nicht. Die<br />
Forderung negiert die Rolle der Frau in der<br />
Reproduktion der Menschheit; sie beabsichtigt,<br />
die Frauen von der Reproduktion zu be-