Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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logie & Entwicklung" (WEED) und „German<br />
Watch" gebildet, die aus der Dritte-Welt-Bewegung<br />
hervorgegangen sind, aber deutlich und<br />
offensiv andere Akzente in ihren Organisations-<br />
und Aktionsformen setzen. Nicht mehr<br />
die lokale Gruppe ist die kleinste Einheit, sondern<br />
das mehr oder wemger interessierte Individuum;<br />
nicht mehr auf breite Bewußtseinsbildung<br />
und öffentlichkeitswirksame Einzelaktionen<br />
wird gesetzt, sondern - anknüpfend an<br />
verbale Konzessionen der „Offiziellen" und gegründet<br />
auf die eigene Expertise - auf gezielte<br />
Lobbyarbeit. Offen ist dabei, wie sich solche<br />
Lobbyorganisationen in den Zusammenhang<br />
der DWB einfügen: als reformistischer Flügel?<br />
Als Ergänzung im Organisations- und Aktionsangebot?<br />
Als Interessenorganisation? Oder<br />
sind diese Aktivitäten tatsächlich ein Ausdruck<br />
für den Niedergang der Bewegung?<br />
b) Gefördert durch Koalitionen zwischen SPD<br />
und Grünen in einigen Bundesländern haben<br />
sich neue, länderbezogene Zusammenschlüsse<br />
von Dritte-Welt-Gruppen und Solidaritätskomitees<br />
gebildet, die die alte, seit Gründung<br />
des BUKO immer wieder gestellte Frage nach<br />
der angemessenen bundesweiten Organisationsform<br />
der DWB erneut aufwerfen (vgl. Kupper/<br />
Spehr 1994). Die Bestimmung des eigenen<br />
Standortes und der eigenen politischen Praxis<br />
in einem sich wandelnden politischen Umfeld<br />
hat immer wieder notwendige Selbstverständnis-<br />
und Strukturdebatten (vgl. auch Bräuer<br />
1984) ausgelöst, die jedoch in neuerer Zeit<br />
nicht selten Züge von Selbstzerfleischung annehmen.<br />
17<br />
Dabei scheint doch allen Beteiligten<br />
klar zu sein, daß ein bundesweiter Zusammenschluß<br />
notwendig ist, sogar ein europaweites<br />
bzw. weltweites Netzwerk wünschenswert<br />
wäre, um die Solidaritätsbewegung zu<br />
einer einflußreichen politischen Kraft zu machen.<br />
FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94<br />
c) Die Veränderungen der DWB resultieren aber<br />
auch aus der Organisationform der Dritte-Welt-<br />
Arbeit. Die unterschiedlichen Arbeits- und Aktionsformen<br />
(Handel, Kampagnen, Veranstaltungen,<br />
Publikationen) wurden nicht zuletzt<br />
durch die professionelle Struktur gestärkt<br />
(ABM-Stellen). Mit der professionellen Struktur<br />
wuchs aber die Dynamik zwischen Hauptund<br />
Ehrenamtlichen. Wegen aller Probleme,<br />
die aus einer solchen Struktur erwuchsen, ist<br />
der Organisationsbestand durch die Streichung<br />
von ABM-Mitteln akut gefährdet, da funktionierende<br />
ehrenamtliche Ressourcen nicht mehr<br />
zur Verfügung stehen bzw. erst neu entstehen<br />
müssen.<br />
d) Weitere Veränderungen ergeben sich durch<br />
gesellschaftliche Entwicklungen, die auch die<br />
Akteure der DWB tangieren. So hat sich am<br />
Ende der 80er Jahren wieder einmal ein Generationswechsel<br />
vollzogen, wie er bereits in den<br />
60er Jahren für die Ostermarschgeneration und<br />
in den 70ern für die 68er Generation zu beob<br />
achten war. Der Generationswechsel betrifft<br />
jetzt die „Zaungäste" (Mohr 1992) 18<br />
der 78er.<br />
Allerdings ist bisher noch nicht absehbar, ob<br />
dieser Bruch lediglich aus dem Abtauchen der<br />
Bürgerinitiativgeneration in Elternschaft, geregelte<br />
Berufs- und Einkommensverhältnisse,<br />
Beziehungskisten, Therapiekarrieren und unpolitische<br />
Privatheit besteht oder ob sich damit<br />
auch Wechsel zu einer neuen politischen<br />
Generation mit neuen Themen und Aktionsformen<br />
(Unimut u.ä.) vollzieht.<br />
e) Nahezu unbeeinflußt von der allgemeinen<br />
Krisenstimmung scheint der Dritte-Welt-Handel<br />
derzeit zu agieren. Es gelang erfolgreich,<br />
kleinbäuerlich erzeugten und direkt importierten<br />
Kaffee unter dem Namen TransFair im konventionellen<br />
Lebensmittelhandel zu etablieren.<br />
Diese Form der Dritte-Welt-Arbeit ist sogar<br />
gegenüber den Kaffeegroßkonzernen in der