Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
42 FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94<br />
Eine Aufgabe der DWB für die 90er Jahre<br />
wird es sein, das Bedürfnis nach Statussicherung<br />
in der bundesdeutschen Bevölkerung -<br />
vor dem Hintergrund einer nicht mehr recht<br />
gelingen wollenden Verleugnung und Verdrängung<br />
eigener sozialer Unsicherheit, die in sinnlose<br />
Aggression gegen die schwächsten Mitglieder<br />
der Gesellschaft (Asylbewerber, Ausländer,<br />
Obdachlose, Alte, Kinder) umschlagen<br />
kann - aufzunehmen, um die gemeinsame Betroffenheit<br />
der Menschen in der Dritten Welt<br />
und den Industrieländern durch dieselben ökonomischen<br />
und politischen Mechanismen,<br />
durch das Ausgeliefertsein an die Weltmarktkonkurrenz,<br />
dem unkontrollierten Agieren internationaler<br />
Konzerne, den Spekulanten und<br />
Banken etc. bewußt zu machen. Die DWB<br />
könnte dabei offensiv sowohl an eine aufklärerische<br />
Tradition der eigenen Bewegung wie<br />
auch an sich politisch verstehende erwachsenen-<br />
und betroffenheitspädagogische Ansätze<br />
zum Themenbereich Dritte Welt aus den 70er<br />
Jahre (etwa Gronemeyer/Bahr 1977) anknüpfen<br />
und versuchen, diese vor dem Hmtergrund<br />
der neuen politischen und gesellschaftlichen<br />
Situation der 90er Jahr zu reformulieren. Nur<br />
auf ein Bewußtsein gleichartiger strukturell verursachter<br />
Ohnmacht der Menschen in Industrieländern<br />
und in der Dritten Welt läßt sich<br />
dauerhaft eine Solidaritätsarbeit aufbauen, die<br />
frei ist von Dominanz und Unterordnung, altruistischer<br />
Beliebigkeit und moralisierendem<br />
Impetus und tendenziell zwischen gleichbetroffenen<br />
und gleichwertigen Partnern erfolgt.<br />
Auch im Bereich globaler Umweltprobleme<br />
bestehen gemeinsame Betroffenheiten. Hier ist<br />
mit der UN-Konferenz für Ökologie und Entwicklung<br />
(UNCED) in Rio de Janeiro 1992<br />
und dem von Nichtregierungsorganisationen<br />
organisierten Rio-Begleit- und Nachfolgeprozeß<br />
ein Themenfeld für die DWB entstanden,<br />
das eine gleichberechtigte Zusammenarbeit mit<br />
entsprechenden Gruppierungen in der Dritten<br />
Welt erlaubt. Allerdings, und auch dies hat<br />
UNCED gezeigt, endet die Interessenidentität<br />
u.U., wenn die Entwicklungsperspektive ins<br />
Spiel gebracht wird, nämlich dann, wenn als<br />
Voraussetzung einer gleichwertigen Entwicklung<br />
in der Dritten Welt ein Wöhlstandsverzicht<br />
in den reichen Industrienationen gefordert<br />
wird. Für die DWB wird es darum gehen<br />
müssen, das gemeinsame Interesse an einer<br />
ressourcenschonenden, nachhaltigen und sozial<br />
gerechten Wirtschaftsweise herauszustellen.<br />
Darüber hinaus bestehen in diesem Bereich<br />
Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Teilen<br />
der Ökologiebewegung, den Jugend-, Umweltund<br />
Entwicklungsorganisationen wie GRAS<br />
(GRößte Anzunehmende Solidarität).<br />
Ihre Stärke sollte die DWB aus dem direkten<br />
Kontakt zwischen den Betroffenen in der Ersten<br />
und der Dritten Welt und der Entwicklung<br />
gemeinsamer Handelsperspektiven beziehen.<br />
Das bedeutet:<br />
- Ergänzung der bisher stark übergewichtigen<br />
intellektuellen Auseinandersetzung um<br />
praktische Veränderungsarbeit;<br />
- Wiederherstellung der Einheit von Aktion<br />
und Reflexion (Freire 1973, S. 105 ff);<br />
- Ausrichtung auf Veränderungen im eigenen<br />
oder weiteren Lebensbereich - mit Blick<br />
auf „Autonomieproduktion gegenüber anderen"<br />
(vgl. Negt/Kluge 1981, S. 835 f u.<br />
Anm. 26).<br />
Dabei kann sich die DWB auf folgende, in den<br />
vergangenen Jahren weitgehend akzeptierte,<br />
miteinander korrespondierende Prinzipien ihrer<br />
Arbeit stützen:<br />
- Vorrang der Inlands- vor der Auslandsarbeit/<br />
Primat der politischen vor der karitativen<br />
Arbeit.