Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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78 FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94<br />
oder von Militärdiktaturen im Rahmen der<br />
Bekämpfung von Aufständischen, besonders<br />
hervorgehoben.<br />
• Menschenrechtsverletzungen in osteuropäischen<br />
und ehemals sozialistischen Ländern<br />
wurden sehr selten zu entscheidenden Themen<br />
in der Solidaritätsbewegung. Ein Umstand,<br />
der vor allem französische Intellektuelle<br />
zu heftigsten Protesten bewogen hat.<br />
• Vieles wurde den Aufstands-/ Guerillabewegungen<br />
in Entwicklungsländern nachgesehen.<br />
Menschenrechtsverletzungen durch<br />
die „Hoffnungsträger" wurden selten kategorisch<br />
abgelehnt, sondern oft als zeitweilig<br />
notwendige Ausnahme akzeptiert. In El<br />
Salvador wurden Bedenken erst dann laut,<br />
als innerhalb der Führung der Guerilla politische<br />
Differenzen zu ersten Mordtaten<br />
führten. Vor allem das brutale Regime des<br />
„Leuchtenden Pfades" in Peru scheint an<br />
dieser Stelle inzwischen einem Umdenken<br />
den Weg zu bereiten.<br />
• Menschenrechtsverletzungen wurden dagegen<br />
immer dann vehement beklagt, wenn<br />
westliche Regierungen und die Wirtschaft<br />
dafür mitverantwortlich zu machen waren:<br />
Guatemalas Schicksal als Bananenrepublik,<br />
der von den USA und einzelnen Firmen mit<br />
unterstützte Sturz von Allende in Chile, das<br />
Engagement von bundesdeutschen Firmen<br />
in Südafrika etc.<br />
Der Vorwurf, daß Menschenrechte einen blinden<br />
Fleck innerhalb der Dritte-Welt-Bewegung<br />
darstellen, muß daher präzisiert werden: Menschenrechte<br />
und ihre Verletzungen wurden zwar<br />
von der Bewegung immer wieder thematisiert,<br />
doch standen eben nicht alle Menschenrechtsverletzungen,<br />
egal in welchem Land und<br />
in welchem Zusammenhang, auf der Agenda<br />
der Bewegung. Die These vom „blinden Fleck"<br />
meint die unterlassene universelle Einklagung<br />
von Menschenrechten.<br />
Solidaritätsarbeit, vor allem Ländersolidarität 4<br />
,<br />
war oft geprägt von eigenen Hoffnungen nach<br />
revolutionärer Veränderung. Die in den 70er<br />
Jahren zunehmend erkennbare Unfähigkeit der<br />
Studentenrevolte, entscheidende Strukturveränderungen<br />
in der BRD bewirken zu können,<br />
ließ den revolutionären Blick nach Stellvertreter-/<br />
Vorbildländern suchen. Dabei spielte die<br />
Hoffnung mit, daß es langfristig „zu einer Solidarität<br />
der Benachteiligten im Norden mit<br />
den Entrechteten im Süden" kommen könne. 5<br />
Diese Hoffnung ist auch heute noch nicht aufgegeben<br />
worden, wie vorstehendes Zitat verdeutlicht.<br />
Die offensive Kampagne „Waffen für<br />
El Salvador", die mehrere Jahre nicht nur von<br />
der taz, sondern auch von vielen Dritte-Welt-<br />
Läden und Solidaritätsorgansiationen mitgetragen<br />
wurde, ist Ausdruck dieser Hoffnung. 6<br />
Die Anfänge der Dritte-Welt-Bewegung sind<br />
in der Vietnamopposition der 68er-Studentenbewegung<br />
zu suchen. Zumindest Teile der Bewegung<br />
waren von Anfang an auf der Suche<br />
nach (radikalen) gesellschaftlichen Neuerungen.<br />
Das Leitbild eines Sozialismus mit<br />
menschhchem Antlitz war lange prägende Kraft<br />
und Motor der Arbeit. Identifikationspersonen<br />
wie J. Nyerere waren Kronzeugen für diese<br />
Hoffnung. Die Identifikation mit dem real existierenden<br />
Sozialismus begann in Europa zwar<br />
schon nach der gewaltsamen Beendigung des<br />
Prager Frühlings zu erlöschen, doch viele Entwicklungsländer<br />
- wie z.B. Kuba - wurden<br />
mit anderem Maße gemessen.<br />
Doch vor zu schnellen Verallgemeinerungen<br />
ist zu warnen. Unter dem Dach der Dritte-<br />
Welt-Bewegung sammeln sich sehr verschiedene<br />
Organisationen und Initiativen. Neben den<br />
bislang benannten Ländersolidaritätsgruppen<br />
sind es vor allem drei Arten von Gruppen, die