18.10.2013 Aufrufe

Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94 59<br />

und links- reformerisch inspiriert sind. Die<br />

meisten orientieren sich an den vom „Club of<br />

Rome" und den im „Brundtland-Report" formulierten<br />

Ideen. Eine ausschließlich karitativ<br />

begründete und nur auf Projektarbeit im Süden<br />

konzentrierte Solidarität wird abgelehnt.<br />

Die Notwendigkeit einer Veränderung im Norden<br />

ist unumstritten. Strittig sind die inhaltliche<br />

Bestimmung der Veränderung, die Mittel<br />

und Wege, sowie die Rolle, die sie selbst in<br />

diesem Prozeß spielen können.<br />

c) Finanzierung<br />

Insgesamt verfügen die Gruppen über relativ<br />

geringe Finanzmittel. Betrachtet man die Finanzausstattung<br />

genauer, dann fällt der relativ<br />

hohe Anteil öffentlicher Gelder auf. Oft stammen<br />

über 80 bis 90 Prozent der Haushaltsmittel<br />

von den Kommunen, dem Land, dem Bund<br />

(BMZE) und/oder der EU. Hier wird der Widerspruch<br />

zwischen dem Anspruch auf Eigenständigkeit<br />

und der faktischen Abhängigkeit<br />

offensichtlich. Die Gefahr einer Fremdsteuerung<br />

durch die Geldgeber und ein damit verbundenes<br />

Wöhlverhalten gegenüber staatlichen<br />

Stellen ist gegeben. Deutlich wurde 1994 die<br />

Tendenz, die inhaltliche Arbeit nicht allein von<br />

den unmittelbaren Erfordernissen der Solidaritätsarbeit,<br />

sondern von der Logik öffentlicher<br />

Fördergelder abhängig zu machen.<br />

d) Sonderbedingungen<br />

Die Sonderbedingungen finden ihren Niederschlag<br />

auch in der unterschiedlichen Bedeutung,<br />

die die Asyl- und Ausländerarbeit für die<br />

Gruppen im Osten hat. In den neuen Bundesländern<br />

sind die Umbruchprozesse in Osteuropa<br />

sehr viel stärker spürbar. Sind es im Westen<br />

vor allem Flüchtlinge aus der Dritten Welt, die<br />

dort Zuflucht suchen, so stammt ein erheblicher<br />

Teil der Flüchtlinge in den Neuen Bundesländern<br />

aus Osteuropa. Ein weiterer Schwer­<br />

punkt der Anti-Rassismus/ Ausländer-Arbeit<br />

ergibt sich aus der Geschichte der DDR. Die<br />

offizielle SED-Solidaritätspolitik sah vor, daß<br />

Ausbildungs- und Arbeitsplatzkontingente für<br />

Menschen aus den sozialistischen Bruderländem<br />

des Südens zur Verfügung gestellt wurden<br />

(Vietnam, Mosambik etc.). Nach der Wende<br />

versuchte die Bundesregierung, diese Personengruppen<br />

in ihre Ursprungsländer „zurückzuführen".<br />

Dies geschah durch Entzug der Aufenthaltsberechtigung<br />

oder durch bilaterale Abkommen<br />

mit den betreffenden Ländern (finanzielle<br />

Anreize etc.). Für viele Vertragsarbeiterinnen<br />

ist die Zukunft noch ungewiß, da ihr<br />

Status noch nicht abschließend geklärt ist. Ein<br />

vergleichbares Problem stellt sich für die westdeutsche<br />

Solidaritätsbewegung nicht.<br />

Eine weitere Besonderheit stellt die Verarbeitung<br />

der Vergangenheit dar. Nach der Wende<br />

1989 fand zunächst keine kritische Auseinandersetzung<br />

mit der entwicklungspolitischen<br />

Vergangenheit statt. Daß diese Debatte ausblieb,<br />

war nicht zuletzt dem von der SED verschuldeten<br />

Informationsdefizit über diese Seite<br />

des Real-Sozialismus geschuldet. Bis heute<br />

hat sich keine einheitliche Beurteilung dieser<br />

Vergangenheit bei den Akteuren der entwicklungspolitischen<br />

Arbeit durchsetzen können.<br />

Das Beurteilungsspektrum reicht von der totalen<br />

Negation bis zur unkritisch-romantischen<br />

Verklärung. Für viele Bürgerinnen hingegen<br />

bleibt die ehemalige Solidaritätspolitik der<br />

SED-DDR eine Black Box. In jüngster Zeit<br />

läßt sich nun eine zunehmende Bereitschaft<br />

der Aktivistinnen erkennen, diese Geschichte<br />

gemeinsam aufzuarbeiten. 13<br />

Die im Artikel von Kößler (in diesem Heft)<br />

genannten Verunsicherungen unter westdeutschen<br />

Solidaritätsgruppen finden sich ebenso<br />

in den ostdeutschen Gruppen. Auch in den Neuen<br />

Bundesländern hat die politische und ökonomische<br />

Krise das Besitzstandsdenken, den

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!