Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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36 FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94<br />
Friedensbewegung, später auch in die Geschäftsführung<br />
der sogenannten Anti-Reagan-<br />
Demonstration im Juni 1982 ein. So gelang<br />
eine starke Verankerung der Thematik „Dritte<br />
Welt und Frieden" neben der Mittelstreckenraketenproblematik.<br />
In den Aktionen des Herbstes<br />
1983 war das Thema „Internationale Solidarität"<br />
mit einem eigenen Aktionstag innerhalb<br />
einer zentralen Aktionswoche vertreten.<br />
Eine Sonderrolle in der länderbezogenen Dritte-Welt-Arbeit<br />
hat seit Ende der 70er Jahre die<br />
Mittelamerika-, besonders die Nicaragua-Solidarität<br />
gespielt. Durch die Mischung aus linken<br />
und christlichen Inhalten in der nicaraguanischen<br />
Revolution hatte diese eine besondere<br />
Attraktivität für die ähnlich strukturierte bundesdeutsche<br />
Solidaritätsbewegung. Hier konnte<br />
es zu einem Bündnis von unabhängigen,<br />
sozialdemokratischen und DKPnahen Linken,<br />
Christen und Humanisten kommen. Nach dem<br />
Abflauen der Friedensbewegung wandte sich<br />
ein großer Teil ihrer Aktivisten der Nicaraguaund<br />
Mittelamerika-Solidaritätsarbeit zu. Angesprochen<br />
wurden sie durch die militärische Interventionsdrohung<br />
der US-Regierung und ihrer<br />
Low-intensity-Kriegsführung, die eine thematische<br />
Brücke zwischen der originären Friedensthematik<br />
und der Dritte-Welt-Solidaritätsarbeit<br />
bot. Besonders das von der US-Friedensbewegung<br />
entwickelte Konzept des peace-watching,<br />
in der bundesdeutschen oder europäischen<br />
Variante mit personeller Aufbauhilfe<br />
in internationalen Brigaden verbunden<br />
(unterstützt durch Medikamenten-, Werkzeug-,<br />
Maschinen- und Kleidersammlungen), hatte<br />
eine besondere Anziehungskraft für ehemalige<br />
Friedensaktivisten in der Bundesrepublik. Erst<br />
der Wahlsieg der bürgerlichen Opposition in<br />
Nicaragua - und damit das Ende des Modellcharakters<br />
Nicaraguas für die bundesdeutsche<br />
linke und grün-alternative Szene - bedeutete<br />
das Ende der Bewegung in dieser Breite.<br />
Zur Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds<br />
(IWF) und der Weltbank 1988 in<br />
Berlin gelang es noch einmal, eine breit getragene<br />
Massenprotestveranstaltung unter dem<br />
Motto „Schulden streichen!" zu organisieren.<br />
Mit einem Vorlauf von mehreren Jahren wurde<br />
in zahlreichen Seminaren, Treffen und Kongressen<br />
die Thematik „Weltwirtschaft und Verschuldung"<br />
erarbeitet und ausgelotet, über einen<br />
Experten- und Insiderkreis hinaus verbreitet<br />
und für politische Aktionen aufbereitet. Aufbauend<br />
auf der in der Friedensbewegung entwickelten<br />
Bündniskultur konnte eine politische<br />
Breite der beteiligten Spektren in den Anti-<br />
IWF-Aktionen erreicht werden, die über die<br />
der Friedensbewegung noch hinausging. Dieser<br />
Bündniszusammenhang verhalf den Aktionen<br />
insgesamt zu einem großen Öffentlichkeitserfolg,<br />
wenn auch die Forderung „Schulden<br />
streichen!" in letzter Konsequenz bis heute<br />
nicht durchgesetzt werden konnte.<br />
Seither gestartete Versuche, zu einer ähnlichen<br />
Qualität des internationalistischen Protestes zu<br />
kommen, müssen weitgehend als gescheitert<br />
angesehen werden. Erinnert sei etwa an den<br />
Weltwirtschaftsgipfel 1992 in München oder<br />
den 500. Jahrestages des Beginns der Eroberung<br />
und Unterwerfung Lateinamerikas. Neben<br />
der zu diesem Zeitpunkt noch immer wirksamen<br />
Verunsicherung durch den Zusammenbruch<br />
des Ostblocks und die neue Situation<br />
nach der „Wiedervereinigung" der beiden deutschen<br />
Staaten scheint bei beiden Aktionen die<br />
Ursache für das Scheitern u.a. in der unzureichenden<br />
Bündnisarbeit der Organisatoren (zum<br />
Beispiel Konkurrenz zwischen ÖkoLinX und<br />
den Grünen) und der daraus resultierenden inhaltlichen,<br />
strategischen und taktischen Unklarheit<br />
gelegen zu haben. Indikator dafür ist, daß<br />
im Verlauf der Vorbereitungen nur noch von<br />
„Kampagne 1992" (ohne jede inhaltliche Qualifizierung)<br />
gesprochen wurde. So war bei den<br />
Aktionen zum Weltwirtschaftsgipfel unklar,