Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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34 FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94<br />
anmaßende, vereinnahmende Auftreten der K-<br />
Parteien gegenüber den Dritte-Welt-Gruppen 6<br />
kompromittiert. Er stand daher als umfassender<br />
Denkansatz ebensowenig zur Verfügung<br />
wie ein christlich-humanistisch motivierter<br />
Ansatz, der wegen seiner Nähe zu den Amtskirchen<br />
nicht allgemein akzeptiert wurde.<br />
Demgegenüber hatte sich in der wissenschaftlichen<br />
Diskussion durch die Rezeption und<br />
Bearbeitung der lateinamerikanischen Dependenztheorien<br />
(Senghaas 1972, 1977; Frank<br />
1980) und anderer Ansätze (Fanon 1969; Amin<br />
1975) die Überzeugung verfestigt, daß sich die<br />
Länder der Dritten Welt gegenüber den fortgeschrittenen<br />
Industrieländern keineswegs in einem<br />
früheren Stadium der Entwicklung befinden.<br />
1<br />
Der Blick wurde damit auf den ursächlichen<br />
Zusammenhang zwischen dem hohem<br />
Entwicklungsstand der Industrieländer und der<br />
Unterentwicklung in der Dritten Welt gelenkt.<br />
Damit rückte die (Mit-)Verantwortung der Industrieländer<br />
für Hunger und Elend, extreme<br />
Ausbeutung und staatlichen Terror in den Ländern<br />
der Dritten Welt in den Mittelpunkt.<br />
Die Aneignung und Diskussion der dependenztheoretischen<br />
Ansätze 8<br />
führte zu der Erkenntnis,<br />
daß - trotz der heterogenen Struktur der<br />
Dritte-Welt-Gruppen - ein allgemein geteilter<br />
Bezugspunkt in der gemeinsamen Verantwortung<br />
der Dritte-Welt-Aktivisten als Bürger eines<br />
hochentwickelten Industrielandes gefunden<br />
werden mußte. Über die „Ländergrenzen"<br />
und Grenzen der Aktionsformen hinweg sollte<br />
das Gesamtverhältnis der Bundesrepublik<br />
Deutschland zur Dritten Welt, aufgegliedert in<br />
dafür exemplarische Problembereiche (Hunger,<br />
Krankheit, staatliche Repression, strukturelle<br />
Ausbeutung), zum gemeinsamen Thema der<br />
verschiedenen Bewegungsteile werden. So sollte<br />
politische und gesellschaftsverändernde<br />
Wirksamkeit in der Bundesrepublik zugunsten<br />
der Dritten Welt entfaltet werden. Darüber hin<br />
aus wurde eine Zusammenarbeit mit den Neuen<br />
<strong>Soziale</strong>n <strong>Bewegungen</strong> in der BRD (Anti-<br />
AKW-, Frauen-, Friedensbewegung) angestrebt<br />
Außerdem sollte die Kooperation mit<br />
den Gewerkschaften und Kirchen weiterentwickelt<br />
werden.<br />
4. Kampagnen und Bündnisse<br />
1977 wurde der Bundeskongreß entwicklungspolitischer<br />
Aktionsgruppen (BUKO) als Zusammenschluß<br />
der Dritte-Welt-Gruppen, Dritte-Welt-Läden<br />
und Solidaritätskomitees gegründet.<br />
In der Folge entstanden die Publikationen<br />
„BRD und Dritte Welt" sowie das „FO<br />
RUM entwicklungspolitischer Aktionsgruppen".<br />
Als zentrales Element der Arbeit wurden<br />
Kampagnen und Arbeitsschwerpunkte festgelegt,<br />
die den Zusammenhang zwischen bundesdeutscher<br />
Regierungs- und Firmenpolitik<br />
und Hunger, Not, Elend, Unterdrückung und<br />
Unterentwicklung in der Dritten Welt aufzeigen<br />
sollten. Nacheinander wurden gegründet:<br />
- die BUKO-Pharmakampagne, um den Einfluß<br />
bundesdeutscher Pharmakonzerne auf<br />
die Gesundheitsversorgung in der Dritten<br />
Welt zu thematisieren;<br />
- die BUKO-Kampagne „Stoppt den Rüstungsexport"<br />
zum bundesdeutschen Beitrag<br />
zur Militarisierung der Dritten Welt;<br />
- die BUKO-Agrarkoordination zu den Auswirkungen<br />
der bundesdeutschen und EG-<br />
Agrarpolitik auf die Nahrungsmittelversorgung<br />
in der Dritten Welt;<br />
- die BUKO-Frauenkoordination zur spezifischen<br />
Betroffenheit von Frauen durch Unterentwicklung<br />
und Verelendung und zur<br />
Rolle von Frauen in den bundesdeutschen<br />
Dritte-Welt-Gruppen;