Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94 37<br />
was die politische Zielsetzung und passende<br />
Aktions- und Veranstaltungsform hätte sein<br />
können. Die Kampagne zu 500 Jahre Kolonialismus<br />
wurde - trotz Bemühungen um eine<br />
Verknüpfung mit dem europäischen Einigungsprozeß<br />
nach Maastricht - weitgehend aus der<br />
historischen Perspektive heraus geführt, ohne<br />
die Aktualität von Unterwerfung, Unterdrükkung<br />
und Ausbeutung deutlich zu machen und<br />
konkrete politische Forderungen zu stellen.<br />
5. Dritte-Welt-Bewegung<br />
in der Krise?<br />
Seither ist es weit verbreitet, von einem allgemeinen<br />
Niedergang der DWB, wie der sogenannten<br />
Neuen <strong>Soziale</strong>n <strong>Bewegungen</strong> insgesamt,<br />
auszugehen. Dies trifft jedoch meines<br />
Erachtens auf die DWB nicht in gleicher Weise<br />
zu wie möglicherweise für die Friedensund<br />
Ökologiebewegung, obwohl Ähnlichkeiten<br />
sicher vorhanden sind. Dazu einige Anmerkungen.<br />
Krise oder Normalisierung?<br />
Um die These vom „Niedergang der Bewegung"<br />
zu prüfen, ist es notwendig, sich den<br />
Bezugsrahmen zu vergegenwärtigen, der als<br />
Vergleichsgröße herangezogen wird. Das, was<br />
Bewegung ausmacht, wird weitgehend in Bezug<br />
auf die massenmobilisierenden Großveranstaltungen<br />
und Aktionen der Friedensbewegung<br />
in den 80er Jahren definiert. Charakteristisch<br />
für diese Phase war u.a. das breite Bündnisspektrum<br />
von Friedens-, Dritte-Welt-, Frauen-<br />
und Ökologiegruppen, Parteien, kirchlichen<br />
und Gewerkschaftsgruppen, duch das die erfolgreiche<br />
Besetzung von Themen in der Öffentlichkeit<br />
gelang. Legt man diese Zeit als<br />
Maßstab zugrunde, dann macht es tatsächlich<br />
Sinn, heute von einem Niedergang zu sprechen.<br />
Allerdings ist es kaum verwunderlich, daß sich<br />
ein derartiger Grad an Mobilisierung nicht über<br />
Jahre hinaus aufrecht erhalten läßt. Die <strong>Bewegungen</strong><br />
haben sich in dieser Hinsicht wieder<br />
auf ein „Normalmaß" reduziert. Dies gilt vor<br />
allem auch für die DWB.<br />
Die DWB war von ihrem Charakter her nie<br />
eine einheitliche Bewegung; zu unterschiedlich<br />
sind weiterhin die Länder und Weltregionen,<br />
die Themen, Aktions- und Kooperationsformen,<br />
die von den einzelnen Gruppen bearbeitet<br />
und praktiziert werden. Zu stark sind die<br />
Gruppen - trotz ihrer globalen Thematik - in<br />
ihrem lokalen Umfeld verankert, weitgehend<br />
unfähig, sich dauerhaft auf bundesweite oder<br />
gar europa- und weltweite Zusammenhänge<br />
zu beziehen. Nur wenige Gruppen haben eine<br />
bundes- oder sogar europaweite Orientierung.<br />
Auch wenn Länder-, Themen- und übergeordnete<br />
Koordinationen der Dritte-Welt- und Solidaritätsgruppen<br />
bestehen, haben diese immer<br />
eine stark eingeschränkte, koordinierende und<br />
nie zentralisierende Funktion gehabt. Der<br />
BUKO steht beispielhaft für diesen Zustand.<br />
Für die Koordinationsstellen der DWB war es<br />
immer schon schwierig, einen ideellen Zusammenhang<br />
zu stiften und gemeinsame Bezugspunkte<br />
zu finden, an denen politische Wirksamkeit<br />
erzeugt werden konnte.<br />
Die DWB war nie eine Massenbewegung. Sie<br />
ist in ihrem Kern immer die Angelegenheit<br />
einer relativ kleinen Zahl von Menschen, die<br />
sich in diesem Bereich allerdings häufig über<br />
Jahre engagieren. Der andere, wahrscheinlich<br />
größere Teil der Dritte-Welt-Bewegten ist angezogen<br />
von Exotik, von Revolutionsromantik,<br />
von scheinbar einfachen Lösungen für<br />
scheinbar einfache Probleme, arbeitet für kurze<br />
Zeit in diesem Feld und verläßt das Thema<br />
wieder, wenn die vorgängigen Vorstellungen<br />
nicht bestätigt oder gar enttäuscht werden. Die<br />
DWB war nie eine aktionistische Bewegung.