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FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94 23<br />

und erst recht das global vorherrschende Bild<br />

vom guten Leben. Internationale Niveaugefälle<br />

treten umso schärfer ins Auge, als einzelne,<br />

zumindest punktuell erfolgreiche „Schwellenländer"<br />

den Schritt zum „neu industrialisierten<br />

Land" (NIC) geschafft zu haben scheinen (vgl.<br />

Menzel 1985; Draguhn 1991). Wer dagegen<br />

eine „angepaßte" oder „intermediäre" Entwicklung<br />

befürwortet, unterliegt dem Verdacht, stillschweigend<br />

die bestehenden weltweiten Hierarchien<br />

an ökonomischer Macht, an Lebensund<br />

Konsumchancen festzuschreiben. Die seit<br />

dem Brundtlandt-Bericht 1987 laufende Debatte<br />

über „nachhaltige" oder „dauerhafte" Entwicklung<br />

hat wenigstens eines gezeigt: Über<br />

Einzelfälle hinaus ist ein solches Ziel weltweit<br />

nur dann zu erreichen, wenn sich die Privilegierten<br />

der bestehenden Weltmarkthierarchie<br />

einem globalen Ausgleich der Lebens- und Entwicklungsniveaus<br />

nicht länger verschließen.<br />

Die etablierte Politik hält freilich bisher an<br />

den bestehenden Hierarchien fest. Das kommt<br />

in der Umweltpolitik der führenden industriekapitalistischen<br />

Länder ebenso zum Ausdruck,<br />

wie in ihren Bestrebungen, auf internationaler<br />

Ebene Schadensbegrenzung etwa durch Schutzmaßnahmen<br />

für die tropischen Regenwälder<br />

einzufordern. Wie problematisch das ist, hat<br />

die UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung<br />

(UNCED) 1992 in Rio de Janeiro gezeigt:<br />

Hier verwiesen insbesondere die Regierungen<br />

der als Schwellenländer nachdrängenden<br />

Staaten wie Indonesien oder Malaysia auf<br />

eigene Interessen an Exporterlösen aus einem<br />

forcierten Holzeinschlag. Im Sinne einer globalen<br />

„Nachhaltigkeit" sind solche Argumente<br />

erschreckend kurzatmig; im Kontext der Verschuldungskrise<br />

und eines auf die kapitalistischen<br />

Industrieländer zugeschnittenen Weltmarktes<br />

dagegen verweisen sie auf ein Dilemma.<br />

Die meisten „Entwicklungsländer" exportieren<br />

mit ihrem Primärstoffexport zugleich ihre<br />

eigenen Entwicklungschancen. Die extern gesetzten<br />

Zwänge ebenso wie die Entscheidun­<br />

gen der autochthonen Regierungen sind daher<br />

gleichbedeutend mit Weichenstellungen auch<br />

für längerfristige und überregionale Entwicklungen.<br />

Es ist in der Tat so, daß die ökologischen Herausforderungen<br />

einen „neue(n) Gesellschaftsvertrag<br />

für eine hochindustrialisierte Gesellschaft"<br />

erfordern (Unmüßig 1993, S. 149; Hv.:<br />

R.K.). Mehr noch: Notwendig erscheint ein<br />

solches Übereinkommen auf der Ebene des<br />

Weltzusammenhangs, wo sich gerade in der<br />

Umweltfrage die drängendsten Probleme geltend<br />

machen. Daher ist die Folgenlosigkeit des<br />

Rio-Gipfels Ausdruck der „politische(n) Krise<br />

in den Industrieländern", und zwar sowohl<br />

angesichts der konzeptionellen Schwäche der<br />

„politische(n) und wirtschaftliche(n) Eliten",<br />

wie auch angesichts der weitgehenden Handlungsunfähigkeit<br />

derjenigen gesellschaftlichen<br />

Gruppierungen, die ein Gegengewicht zur staatlichen<br />

Exekutive darstellen könnten, aber „zu<br />

schwach oder zu interessengebunden (sind),<br />

um den notwendigen innergesellschaftlichen<br />

Druck für ökologisch orientierte Reformen zu<br />

entfalten" (ebd.), also der unterschiedlichen<br />

sozialen <strong>Bewegungen</strong> und der an sie angeschlossenen<br />

zivilgesellschaftlichen Zusammenhänge.<br />

Bevölkerungsentwicklung: Ausdruck<br />

sozioökonomischer Probleme<br />

Nicht zufällig wird die globale Umweltkrise<br />

zumeist mit der „Bevölkerungsexplosion" in<br />

Zusammenhang gebracht. Diese erscheint dann<br />

in aller Regel als eine objektive Tatsache, verursacht<br />

durch den Unverstand und die Rückständigkeit,<br />

die angeblich in den meisten postkolonialen<br />

Gesellschaften nach wie vor vorherrschen.<br />

Die ernste Sorge um die Belastbarkeit<br />

oder die „Tragfähigkeit" einzelner Regionen<br />

oder auch des gesamten Planeten verknüpft<br />

sich in oft kaum entwirrbarer Weise mit irra-

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