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84<br />

Text der Bangkok-Charta, der asiatischen Vorbereitungskonferenz<br />

zur Weltmenschenrechtskonferenz,<br />

stellten die Staaten die souveräne<br />

Selbstbestimmung in den Mittelpunkt und lehnten<br />

jegliche Form der Einmischung und Konditionalität<br />

grundsätzlich ab. Dem Universalitätsanspruch<br />

begegneten die asiatischen Staaten<br />

vor allem mit dem Einwand, daß das<br />

Menschenrechtskonzept westlich-okzidental<br />

geprägt sei und ihrer kulturellen Andersartigkeit<br />

und Vielfalt nicht gerecht werde. Dieser<br />

Ansatz findet in der Solidaritätsszene immer<br />

wieder Unterstützung, vor allem, wenn es um<br />

den Schutz kultureller Rechte von Minderheiten<br />

gegenüber dem Souverän geht. Im Vorfeld<br />

der Wiener Konferenz fanden sich denn auch<br />

zahlreiche Kommentatoren, die über die universelle<br />

Gültigkeit der Menschenrechtsnormen<br />

nachdachten. In der Tat gibt es berechtigte Kritik<br />

an der Auslegung und Formulierung mancher<br />

Menschenrechte, die zumindest sprachlich<br />

und geschichtlich geprägt sind. Ein Dialog<br />

zwischen den Kulturen könnte helfen, Besonderheiten<br />

- wie z.B. kollektive Landrechte<br />

bei indigenen Völkern - zu berücksichtigen<br />

und, in diesem Sinne, manche Formulierung<br />

der nach 1945 kodifizierten Menschenrechte<br />

zu präzisieren. Doch gerade die in der Unrechtserfahrung<br />

von Menschen zutage tretende<br />

Substanz der Menschenrechte wurde in Wien<br />

vor allem von NRO aus asiatischen Ländern<br />

betont. Sie forderten eine unbestechliche internationale<br />

Aufmerksamkeit und Einmischung<br />

gegenüber Menschenrechtsverletzungen, denen<br />

Einzelpersonen oder ganze Bevölkerungsgruppen<br />

in ihren Staaten ausgesetzt seien.<br />

Nicht nur gegenüber kultureller, sondern auch<br />

gegenüber wirtschaftspolitischer Einmischung<br />

wurde im Vorfeld der Wiener Konferenz der<br />

Souveränitätsgedanke hochgehalten. Während<br />

der Konferenz wurde dieser Gedanke vor allem<br />

von lateinamerikanischen NRO vorgebracht.<br />

Tief sitzt bei ihnen die Sorge, daß, ver­<br />

FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94<br />

bunden mit wirtschaftspolitischen Auflagen des<br />

Währungsfonds und der Weltbank, soziale Notstände<br />

wachsen und ein „ungerechtes" Wirtschaftsmodell<br />

festgelegt wird. Diese wirtschaftspolitischen<br />

Einmischungen (und ihre<br />

z.T. beobachtbaren sozialen Folgen) 20<br />

werden<br />

von der Dritte-Welt-Bewegung sehr kritisch<br />

gewürdigt und als ein weiterer Vorbehalt gegen<br />

die externe Einmischung in innere Angelegenheiten<br />

vorgebracht. Die Skepsis entspringt<br />

der jahrzehntelang geführten entwicklungspolitischen<br />

Debatte darüber, ob eher interne oder<br />

eher externe Ursachen für die schwierige<br />

ökonomische und soziale Situation in Entwicklungsländern<br />

verantwortlich zu machen sind.<br />

Während sich die akademisch-theoretische<br />

Debatte in Europa und den USA inzwischen<br />

wieder den internen Verursachungszusammenhängen<br />

zuwendet, werden in der Dritte-Welt-<br />

Bewegung oft externe Verursachungszusammenhänge<br />

in den Vordergrund gerückt. Dementsprechend<br />

groß ist die Skepsis gegenüber<br />

Interventionen in die Wirtschaftspolitik der<br />

Länder des Südens. Daher wird Einmischung<br />

generell negativ bewertet. Gerade lateinamerikanische<br />

NRO können deshalb in bezug auf<br />

äußere Einmischung oft widersprüchlich - ähnlich<br />

wie Teile der Dritte-Welt-Bewegung - beide<br />

Seiten in einem Gedankengang vereinen:<br />

Einerseits bestehen sie auf internationaler Einmischung,<br />

wenn Verletzungen der bürgerlichen<br />

und politischen Menschenrechte vorliegen, andererseits<br />

lehnen sie internationale Einmischung<br />

völlig ab, wenn es sich um wirtschaftliche<br />

Auflagen handelt, wie sie z.B. bei Umschuldungsverhandlungen<br />

oder Strukturanpassungsprogrammen<br />

von internationalen Organisationen<br />

(IWF/ Weltbank) gemacht werden.<br />

Deutlich wird, daß bei allen Debatten über externe<br />

Einmischung menschenrechtliche und<br />

wirtschaftspolitische Einmischungen voneinander<br />

geschieden werden müssen. Die aktuelle<br />

Realität der Einmischung von internationalen

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