Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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Text der Bangkok-Charta, der asiatischen Vorbereitungskonferenz<br />
zur Weltmenschenrechtskonferenz,<br />
stellten die Staaten die souveräne<br />
Selbstbestimmung in den Mittelpunkt und lehnten<br />
jegliche Form der Einmischung und Konditionalität<br />
grundsätzlich ab. Dem Universalitätsanspruch<br />
begegneten die asiatischen Staaten<br />
vor allem mit dem Einwand, daß das<br />
Menschenrechtskonzept westlich-okzidental<br />
geprägt sei und ihrer kulturellen Andersartigkeit<br />
und Vielfalt nicht gerecht werde. Dieser<br />
Ansatz findet in der Solidaritätsszene immer<br />
wieder Unterstützung, vor allem, wenn es um<br />
den Schutz kultureller Rechte von Minderheiten<br />
gegenüber dem Souverän geht. Im Vorfeld<br />
der Wiener Konferenz fanden sich denn auch<br />
zahlreiche Kommentatoren, die über die universelle<br />
Gültigkeit der Menschenrechtsnormen<br />
nachdachten. In der Tat gibt es berechtigte Kritik<br />
an der Auslegung und Formulierung mancher<br />
Menschenrechte, die zumindest sprachlich<br />
und geschichtlich geprägt sind. Ein Dialog<br />
zwischen den Kulturen könnte helfen, Besonderheiten<br />
- wie z.B. kollektive Landrechte<br />
bei indigenen Völkern - zu berücksichtigen<br />
und, in diesem Sinne, manche Formulierung<br />
der nach 1945 kodifizierten Menschenrechte<br />
zu präzisieren. Doch gerade die in der Unrechtserfahrung<br />
von Menschen zutage tretende<br />
Substanz der Menschenrechte wurde in Wien<br />
vor allem von NRO aus asiatischen Ländern<br />
betont. Sie forderten eine unbestechliche internationale<br />
Aufmerksamkeit und Einmischung<br />
gegenüber Menschenrechtsverletzungen, denen<br />
Einzelpersonen oder ganze Bevölkerungsgruppen<br />
in ihren Staaten ausgesetzt seien.<br />
Nicht nur gegenüber kultureller, sondern auch<br />
gegenüber wirtschaftspolitischer Einmischung<br />
wurde im Vorfeld der Wiener Konferenz der<br />
Souveränitätsgedanke hochgehalten. Während<br />
der Konferenz wurde dieser Gedanke vor allem<br />
von lateinamerikanischen NRO vorgebracht.<br />
Tief sitzt bei ihnen die Sorge, daß, ver<br />
FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94<br />
bunden mit wirtschaftspolitischen Auflagen des<br />
Währungsfonds und der Weltbank, soziale Notstände<br />
wachsen und ein „ungerechtes" Wirtschaftsmodell<br />
festgelegt wird. Diese wirtschaftspolitischen<br />
Einmischungen (und ihre<br />
z.T. beobachtbaren sozialen Folgen) 20<br />
werden<br />
von der Dritte-Welt-Bewegung sehr kritisch<br />
gewürdigt und als ein weiterer Vorbehalt gegen<br />
die externe Einmischung in innere Angelegenheiten<br />
vorgebracht. Die Skepsis entspringt<br />
der jahrzehntelang geführten entwicklungspolitischen<br />
Debatte darüber, ob eher interne oder<br />
eher externe Ursachen für die schwierige<br />
ökonomische und soziale Situation in Entwicklungsländern<br />
verantwortlich zu machen sind.<br />
Während sich die akademisch-theoretische<br />
Debatte in Europa und den USA inzwischen<br />
wieder den internen Verursachungszusammenhängen<br />
zuwendet, werden in der Dritte-Welt-<br />
Bewegung oft externe Verursachungszusammenhänge<br />
in den Vordergrund gerückt. Dementsprechend<br />
groß ist die Skepsis gegenüber<br />
Interventionen in die Wirtschaftspolitik der<br />
Länder des Südens. Daher wird Einmischung<br />
generell negativ bewertet. Gerade lateinamerikanische<br />
NRO können deshalb in bezug auf<br />
äußere Einmischung oft widersprüchlich - ähnlich<br />
wie Teile der Dritte-Welt-Bewegung - beide<br />
Seiten in einem Gedankengang vereinen:<br />
Einerseits bestehen sie auf internationaler Einmischung,<br />
wenn Verletzungen der bürgerlichen<br />
und politischen Menschenrechte vorliegen, andererseits<br />
lehnen sie internationale Einmischung<br />
völlig ab, wenn es sich um wirtschaftliche<br />
Auflagen handelt, wie sie z.B. bei Umschuldungsverhandlungen<br />
oder Strukturanpassungsprogrammen<br />
von internationalen Organisationen<br />
(IWF/ Weltbank) gemacht werden.<br />
Deutlich wird, daß bei allen Debatten über externe<br />
Einmischung menschenrechtliche und<br />
wirtschaftspolitische Einmischungen voneinander<br />
geschieden werden müssen. Die aktuelle<br />
Realität der Einmischung von internationalen