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FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94<br />

Diskussionszusammenhängen erschweren, zu<br />

suchen. Die geringe Beteiligung kann allerdings<br />

auch als Bestätigung für die These angesehen<br />

werden, daß die Dritte-Welt-Bewegung<br />

nach wie vor mit einem universelle Gültigkeit<br />

beanspruchenden Menschenrechtsbegriff<br />

Schwierigkeiten hat.<br />

Die Solidaritätsszene reagierte auf die Verkündung<br />

politischer Kriterien, die bei der Vergabe<br />

von Entwicklungshilfe zur Anwendung kommen<br />

sollte, sehr skeptisch, lehnte aber solche<br />

Kriterien nicht prinzipiell ab. Kritisiert wurde<br />

vor allem die fehlende Glaubwürdigkeit, da<br />

die Kriterien wohl kaum bei wirtschaftlich<br />

wichtigen Partnern zur Anwendung kommen<br />

würden.<br />

Konditionalität ist allerdings für Dritte-Welt-<br />

Gruppen - trotz der Sensibilität gegenüber<br />

Eurozentrismusvorwürfen - kein fremder<br />

Denkansatz. In den meisten Dritte-Welt-Läden<br />

wurden über Jahre Diskussionen über die Art<br />

der Kriterien geführt, die an Projekte anzulegen<br />

seien, deren Produkte später zum Verkauf<br />

angeboten werden sollten. Dabei wurden noch<br />

sehr viel weitergehende Konditionalitätskriterien<br />

als in der aktuellen entwicklungspolitischen<br />

Debatte ins Spiel gebracht. Hohe moralische,<br />

ethische, organisatorische (genossenschaftliche)<br />

Kriterien, die Aspekte der Einkommensverteilung<br />

und der Arbeitsorganisation<br />

umfaßten, wurden formuliert, um einem Kleidungsstück<br />

oder einer handgezogenen Kerze<br />

den Weg in den Dritte-Welt-Laden zu ebnen.<br />

Die eigene Einmischung wurde dabei immer<br />

anders als die von Industrieländern bewertet,<br />

da man sich - im Gegensatz zu den staatlichen<br />

Einmischungsversuchen, die als ökonomischer<br />

oder politischer Neokolonialismus galten - mit<br />

den progressiven Kräften in diesen Ländern<br />

im Dialog wähnte. Schließlich galt es, die Basis<br />

dieser Kräfte zu stärken.<br />

l_Z21<br />

Routine besitzt die Bewegung auch in der Einforderung<br />

staatlicher Konditionalität, wenn es<br />

gilt, Handelsboykotte gegenüber Unrechtsregimen,<br />

Kürzung und Streichung der Entwicklungshilfe<br />

für Militärdiktaturen zu fordern. Dies<br />

hinderte auf der anderen Seite nicht daran, den<br />

Industrieländern, allen voran den USA, Einmischung<br />

in innere Angelegenheiten zum Vorwurf<br />

zu machen. Die Hinterhofpolitik gegenüber<br />

Lateinamerika, die Einmischung in Chile,<br />

Guatemala, Grenada etc. waren zum Teil<br />

sogar Kulminationspunkte von Solidaritätsengagement.<br />

Aus dieser unterschiedlichen Bewertung von<br />

äußerer Einmischung entsteht ein Spannungsfeld,<br />

dessen Analyse helfen kann zu klären,<br />

wo genau die Konfliktlinie zwischen Solidaritätsarbeit<br />

und Menschenrechtsengagement verläuft.<br />

Konditionalität, verstanden als Einmischung<br />

in innere Angelegenheiten, wurde immer<br />

dann akzeptiert, wenn der Dialog über die<br />

„richtigen" Entwicklungziele sozusagen „basisintern"<br />

zwischen der Bewegung im Norden<br />

und der Bewegung im Süden angesiedelt war.<br />

Staatliche Einmischung durch Industrieländer<br />

in innere Angelegenheiten wurde dagegen in<br />

der Regel abgelehnt und als „Neokolonialismus"<br />

gebrandmarkt. Jedoch wurde in Fällen<br />

massiver Menschenrechtsverletzungen selektiv<br />

bei einigen Ländern die Einmischung des<br />

„Nordens" gefordert. Welche Gründe können<br />

für dieses eigenartig inkonsistente Verhalten<br />

gegenüber externer Einmischung in innere<br />

Angelegenheiten von Entwicklungsländern, das<br />

sich vergleichbar auf die gesamte Art der Einforderung<br />

und Verteidigung von Menschenrechten<br />

erstreckt, benannt werden?<br />

Menschenrechte waren für die Solidaritätsarbeit<br />

kein originärer Beweggrund für Engagement.<br />

Auf ihre Verletzung wurde zwar oft instrumenteil<br />

als Argument für Einmischung und<br />

Aktion verwiesen, doch speiste sich das Enga-

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