Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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92 FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94<br />
inzwischen offensichtlich geworden war, daß<br />
vor allem Frauen von Armut betroffen waren.<br />
Unter dem Stichwort „Armutsbekämpfung"<br />
hatte die Beseitigung von Armut programmatischen<br />
Stellenwert bekommen. Die diesbezüglich<br />
in Mexiko verabschiedeten Empfehlungen<br />
benennen als Hauptpunkte die Integration<br />
von Frauen in alle Phasen des Entwicklungsprozesses<br />
einschließlich „der Planung, der Politik<br />
und der Entscheidungsprozesse", „die freie<br />
Entscheidung der Frau, sich als Arbeitskraft<br />
zur Verfügung zu stellen", sowie das Recht auf<br />
Erziehung, Ausbildung und Beschäftigung im<br />
nicht-familiären Bereich bei gebührender Unterstützung<br />
ihrer Rolle als Mutter. Mit ihren<br />
Empfehlungen unterstützte die Weltbevölkerungskonferenz<br />
die im Rahmen der Frauendekade<br />
von etablierten Entwicklungsagenturen<br />
geforderte „Integration der Frau in die Entwicklung".<br />
Frauen sollten dazu veranlaßt werden,<br />
Geldeinkommen in der Marktwirtschaft<br />
zu erwerben, während gleichzeitig ihre Rolle<br />
im privaten bzw. im Subsistenzbereich gestärkt<br />
werden sollte. Der Weltbevölkerungsbericht<br />
von 1989 war unter der Uberschrift „Vorrang<br />
für Frauen. Der Schwerpunkt für die 90er Jahre"<br />
ganz der Situation von Frauen gewidmet.<br />
Es wird betont, daß Frauen im Zentrum des<br />
Entwicklungsprozesses stehen und die Verantwortung<br />
für die meisten volkswirtschaftlichen<br />
Bereiche außerhalb der Geldwirtschaft (für die<br />
Subsistenzwirtschaft, das Austragen und Großziehen<br />
der Kinder, die Hausarbeit) tragen. Sie<br />
spielen aber auch in der Geldwirtschaft eine<br />
wichtige Rolle, etwa im Handel, im „informellen<br />
Sektor" und bei der Lohnarbeit. Die Mißachtung<br />
ihrer persönlichen und politischen<br />
Rechte - etwa Zugang zu Landbesitz, Krediten<br />
und einträglichen Beschäftigungsmöglichkeiten<br />
- hindert sie jedoch daran, ihr ganzes<br />
Potential an Möglichkeiten auszuschöpfen.<br />
Aufgrund ihrer wirtschaftlichen und sozialen<br />
Schlüsselrolle führt die Nichtbeachtung der<br />
Bedürfnisse der Frauen laut Weltbevölkerungs<br />
bericht zu „unkontrolliertem Bevölkerungswachstum,<br />
hohen Säuglings- und Kindersterblichkeitsraten,<br />
einer geschwächten Wirtschaft,<br />
einer uneffektiven Landwirtschaft, sich ständig<br />
verschlechternden Umweltbedingungen,<br />
einer zutiefst gespaltenen Gesellschaft und einer<br />
schlechten Lebensqualität für alle." Die<br />
vorgeschlagene Lösung lautet deshalb „Investieren<br />
in Frauen" - darunter werden Familienplanung<br />
und „soziale Investitionen" verstanden,<br />
d.h. Dienstleistungen wie Gesundheitsfürsorge<br />
und Bildungseinrichtungen -, denn<br />
„langfristig gesehen, bringen Investitionen in<br />
Frauen einen eindeutigen, wenn auch nicht<br />
quantifizierbaren ökonomischen Nutzen." Über<br />
den Ansatz, daß die Reduzierung der Kinderzahl<br />
einer Erhöhung der Produktivität dienlich<br />
sei, werden die Komponenten Frauenförderung<br />
und Bevölkerungspolitik unmittelbar zusammengeführt.<br />
Während Geburtenkontrolle einerseits<br />
zum integralen Bestandteil von Frauenförderplänen<br />
zur Effektivierung der Produktivkraft<br />
Frau wird, nimmt andererseits die Frauenproblematik<br />
eine Schlüsselposition in bevölkerungspolitischen<br />
Überlegungen ein.<br />
Parallel zu der Argumentation, daß Bevölkerungspolitik<br />
in der Form von Familienplanung<br />
letztlich dem Wohl der Frauen diene, wird seit<br />
Beginn der 90er Jahre ein direkter Zusammenhang<br />
zwischen der zunehmenden Umweltzerstörung<br />
und dem Bevölkerungswachstum hergestellt.<br />
Im Weltbevölkerungsbericht von 1990<br />
heißt es z.B.: Die „wachsende Menschenmenge<br />
geht an die Substanz der Erde selbst. Das<br />
schnelle Bevölkerungswachstum in den armen<br />
Ländern hat bereits begonnen, die Erde unwiderruflich<br />
zu verändern. Diese Veränderungen<br />
werden in den 90er Jahren ein kritisches Ausmaß<br />
erreichen; zu ihnen gehören anhaltendes<br />
Wachstum der Städte, Zerstörung von Boden<br />
und Wasser, massive Waldrodungen und die<br />
weitergehende Konzentration von 'Treibhausgasen'."<br />
Das Förderkonzept 'Bevölkerungspo-