Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94 39<br />
nen sowie die internen Entwicklungshemmnisse<br />
und nationalen Akteure. Was auf der einen<br />
Seite die Analyse der Nord-Süd-Problematik<br />
u.U. realitätsnäher werden läßt, macht<br />
es auf der anderen Seite aber auch zunehmend<br />
schwieriger, von der Dritten Welt als einheitlichem<br />
Gebilde 14<br />
zu sprechen.<br />
Das Ende der Blockkonfrontation schlägt sich<br />
auch in einer Unsicherheit bezüglich des zu<br />
wählenden theoretischen Rahmens nieder. Zwar<br />
hat die Erosion der „großen" Theorien (Modernisierungs-,<br />
Dependenztheorie) bereits früher<br />
eingesetzt, doch erst jetzt kann ein Buch<br />
wie „Das Ende der Dritten Welt und das Scheitern<br />
der großen Theorie" von Ulrich Menzel<br />
so heftige und (noch?) relativ hilflose Reaktionen<br />
auslösen.<br />
Mit dem Aufbrechen des Ostblocks und der<br />
Reorganisation in labilen Nationalstaaten stellt<br />
sich die Frage, ob und wie diese neuen Länder<br />
in das bisherige Schema von Erster, Zweiter<br />
(was immer die Zweite Welt war) und Dritter<br />
Welt eingeordnet werden können. Sind etwa<br />
die Atommächte Kasachstan, die Ukraine oder<br />
Rußland ganz oder teilweise als Dritte Welt zu<br />
bezeichnen? Müssen hier erst ähnliche Hilfskonstruktionen<br />
wie der Begriff der „Dritten<br />
Welt in der Ersten Welt" herangezogen werden,<br />
um diese Länder adäquat zu beschreiben?<br />
In diesem Zusammenhang lassen sich weitere<br />
Fragen aufwerfen:<br />
Mit dem Aufbrechen der Blockkonfrontation<br />
fällt es vor allem regierungsoffiziellen und halboffiziellen<br />
Stellen leichter, Unstimmigkeiten<br />
zwischen Programm und Realität der Entwicklungspolitik,<br />
auf die die DWB seit Jahren aufmerksam<br />
gemacht und die sie kritisiert hat,<br />
zuzugestehen und - zumindest verbal - Teile<br />
der Positionen der DWB zu übernehmen (vgl.<br />
dazu auch Falk 1993, S. 668 f). Dies hat zur<br />
Folge, daß Themen wie Ausbeutung, Hunger,<br />
Ökologie, Entwicklung und die besondere Betroffenheit<br />
von Frauen nicht mehr eindeutig<br />
und allein von der DWB besetzt sind. Die Legitimation<br />
einer zur herrschenden Entwicklungspolitik<br />
in Opposition stehenden Bewegung<br />
scheint zu schwinden. Neue Anstrengungen<br />
der Recherche und Theoriearbeit sind notwendig,<br />
um die hinter der verbalen Adaption<br />
liegenden Strategien und Funktionen aufzudekken<br />
und ins Bewußtsein zu heben. Schließlich<br />
können die verbalen Konzessionen der offiziellen<br />
Entwicklungspolitik nicht bereits als Erfolge<br />
der Bewegung betrachten werden. 15<br />
Als Folge des Zusammenbruch im Osten haben<br />
sich die DKPnahen Dritte-Welt-Gruppen<br />
und -Organisationen 16<br />
weitgehend aufgelöst.<br />
Einige ihrer hauptamtlichen Vertreter arbeiten<br />
heute in den Themenbereichen Weltwirtschaft,<br />
Verschuldung und Ökologie. Demgegenüber<br />
fühlen sich die Vertreter undogmatischer linker<br />
Positionen in der DWB von den Veränderungen<br />
im Ostblock nicht in dieser Weise betroffen.<br />
Sie sind mit ihren Positionen, wenn<br />
auch merklich leiser, weiterhin in der DWB<br />
präsent.<br />
Wandel von Organisations- und<br />
Aktionsformen<br />
Die DWB bestand in den 70er und der ersten<br />
Hälfte der 80er Jahre weitgehend aus einer<br />
Vielzahl kleiner, lokaler Gruppen, die sich von<br />
den großen Spendenorganisationen und Hilfswerken<br />
deutlich abgrenzten. Selbst kleinere<br />
Hilfswerke (terre des hommes, Aktionsgemeinschaft<br />
Solidarische Welt) arbeit(et)en mit Lokalgruppen.<br />
Seitdem haben sich jedoch hinsichtlich<br />
organisatorischer Strukturen, Aktionsund<br />
Kooperationsformen einige deutliche Veränderungen<br />
ergeben.<br />
a) In jüngerer Zeit haben sich im Zwischenbereich<br />
Organisationen wie „Weltwirtschaft, Öko-