Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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16 FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94<br />
Erste Voraussetzung ist für ihn, daß die Menschen<br />
hinsehen, wo sich Schreckliches und Verwerfliches,<br />
Elend und Vernichtung konkret vollziehen<br />
oder drohen. Deshalb spricht er nicht<br />
nur über Strahlenopfer, sondern fährt selbst<br />
nach Hiroshima und spricht mit ihnen.<br />
Aber genauso wichtig ist das Gespräch und<br />
die Auseinandersetzung mit den Mächtigen.<br />
Deshalb spricht er mit ihnen und versucht sie<br />
zu überzeugen, daß der militärische und ökonomische<br />
Hochrüstungspfad verlassen werden<br />
muß, wenn wir ökologisch überleben und human<br />
zusammenleben wollen.<br />
Woher nahm eigentlich dieser Robert Jungk<br />
angesichts der vielen erdrückenden negativen<br />
Fakten seine Triebkraft Hoffnung und seine<br />
Triebkraft Ermutigung? Es sind die vielen eigenen<br />
Erlebnisse von Leid und Unrecht, aber<br />
auch von sozialer Phantasie und vielfältigem<br />
Engagement, das sich heute überall auf der<br />
Welt organisiert. Hieraus gewinnt er seinen festen<br />
Glauben an die immense Energiequelle<br />
der „Millionen und Abermillionen". Die Zukunftsbilder<br />
der Vielen sind nicht die Steigerung<br />
des Bruttosozialprodukts und mächtige<br />
Waffenarsenale, sondern natur- und lebenserhaltende<br />
Zukünfte und individuelle Lebensstile.<br />
Das gilt für die Erste Welt ebenso wie für<br />
die Zweite und Dritte.<br />
Ist es nicht so, daß soziale Innovationen und<br />
praktische nachhaltige Zukunftsgestaltung<br />
schon lange nicht mehr von den politisch und<br />
ökonomisch Mächtigen ausgehen?<br />
Ist es nicht so, daß ökologische Initiativen von<br />
Bürgern, Nichtregierungs-Organisationen und<br />
sozialen <strong>Bewegungen</strong> deshalb so viel Wirkung<br />
erzielen, weil die politischen und wirtschaftlichen<br />
Eliten heimlich oder offen mit ihren Argumenten,<br />
Experimenten und Strategien sympathisieren<br />
und diese nicht selten klammheim<br />
lich, manchmal sogar ganz offen und mit viel<br />
Getöse übernehmen?<br />
Ist es nicht so, daß sich vor allem auch durch<br />
die Friedensbewegung die Großmächte bewegten<br />
und die militärische Hochrüstungsspirale<br />
erstmals ein Stück zurückgedreht wurde?<br />
Ist es nicht so, daß die ökologischen und sozialen<br />
Krisen und Gefahren in dieser Welt vor<br />
allem deshalb im Bewußtsein der Öffentlichkeit<br />
einen hohen Stellenwert haben, weil sich<br />
viele Menschen nicht entmutigen ließen, trotz<br />
mächtiger Gegenkräfte weiterzumachen?<br />
Robert Jungk hat hierzu viele Impulse gegeben<br />
- wie ein Schmetterling, der zur richtigen<br />
Zeit mit dem richtigen Flügel in die richtige<br />
Richtung geschlagen und dadurch Tornados<br />
ausgelöst hat.<br />
Im Jahre 1986 wurde ihm der „Alternative Nobelpreis"<br />
verliehen. Vielleicht ist die Zeit gar<br />
nicht mehr so fern, daß der andere, „richtige"<br />
Nobelpreis auch solche Lebenswerke auszeichnet<br />
- wünschbare Zukunft.<br />
Prof. Dr. Rolf Kreibich, 1969-76 Präsident der<br />
FU Berlin, 1977-81 Direktor und Geschäftsführer<br />
des Instituts für Zukunftsforschung Berlin,<br />
ist u.a. Direktor und Geschäftsführer des<br />
IZT Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung,<br />
Berlin, und Direktor des Sekretariats<br />
für Zukunftsforschung in Gelsenkirchen.