Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94<br />
alten DDR respektive der neuen Bundesländer.<br />
Zugleich kam aber auch die oft beklagte<br />
Mobilisierungsschwäche der Bewegung neu<br />
in den Blick angesichts der Gefahr, daß beim<br />
Ressourcentransfer und der Aufbauhilfe für<br />
den Osten die Dritte Welt in Vergessenheit<br />
geraten und sich selbst überlassen werden<br />
könnte. Von theoretischer Seite wurde im<br />
gleichen Kontext der Bewegung die Verflüchtigung<br />
„ ihres " Gegenstandes, das „ Ende der<br />
Dritten Welt" (Menzel) sowie das Festhalten<br />
an mythologischen Ausbeutungstheorien<br />
(Kohlhammer 1992) vorgehalten. In Bewegungskontexten<br />
selbst sowie auf Seiten sympathisierender<br />
Theoretiker reagiert man auf<br />
diese Herausforderungen mit neuen Konzepten<br />
wie dem Stichwort „Entwicklungspolitik<br />
für den Norden " als Forderung nach Veränderung<br />
der ökologischen und ökonomischen<br />
Voraussetzungen in den Ländern der Ersten<br />
Welt, um so Entwicklung im Süden erst möglich<br />
zu machen. Rückhalt erfuhr dieses Konzept<br />
durch die UN-Konferenz über „ Umwelt<br />
und Entwicklung " (UNCED) im Juni 1992 in<br />
Rio de Janeiro. In der von den Teilnehmerstaaten<br />
verabschiedeten „Agenda 21" werden<br />
umweltpolitische und entwicklungspolitische<br />
Fragestellungen verknüpft. Zugleich nimmt<br />
die Dritte-Welt-Bewegung an aktuellen Auseinandersetzungen<br />
um Bevölkerungsentwicklung,<br />
Migration und Rassismus in der Perspektive<br />
teil, die Stellung der Dritten gegen<br />
die Erste Welt im Umgang mit Migration/<br />
Migranten und in der bevölkerungspolitischen<br />
Debatte zu verteidigen.<br />
Michael Bommes/Michael Heuer/Ingrid<br />
Spiller<br />
Reinhart Kößler behandelt in seinem Artikel<br />
„Lauter Bäume oder großer Wald? Entwicklungstheorie<br />
zwischen partikularer Diagnose<br />
und globalen Problemen" die Aussichten<br />
einer politischen Theoriebildung, die zur<br />
Kenntnis genommen hat, daß sich die unirritierte<br />
Fortschreibung von Entwicklungstheorie<br />
ebenso wie das unreflektierte Fortsetzen<br />
einer Bewegung vor dem Hintergrund verbietet,<br />
daß spätestens mit dem Zusammenbruch<br />
des Ostblocks auch die Einheit des Gegenstandes<br />
„Dritte-Welt" nicht mehr fraglos<br />
gegeben ist. Die globale Dimension der Problemkomplexe<br />
Verschuldung, Ökologie und<br />
Bevölkerungsentwicklung läßt deren Relevanz<br />
für die „Eine Welt" in den Vordergrund<br />
treten und macht Abkoppelungsstrategien<br />
(Dependenztheorien) ebenso unplausibel wie<br />
Konzepte nachholender Entwicklung. Innergesellschaftliche<br />
Restriktionen gesellschaftlicher<br />
Selbstbestimmung und externe hierarchische<br />
Abhängigkeitsverhältnisse erfordern eine<br />
Theorie der Moderne, die um den hierarchischen<br />
Zusammenhang von regional verschiedenen<br />
Entwicklungsverläufen in der Welt<br />
weiß und insofern auch nicht vorschnell vom<br />
Ende der Dritten Welt ausgeht: Interne Bedingungen<br />
gesellschaftlicher Entwicklung und<br />
externe hierarchische Einschränkungen gesellschaftlicher<br />
Selbstbestimmung sind demnach<br />
ebenso zu berücksichtigen wie globale<br />
Bedingungen und Erfordernisse der Ko-<br />
Evolution unterschiedlicher moderner Gesellschaftsformen<br />
(lineare Modernisierungskonzepte<br />
schließen diese ebenso aus wie Vorstellungen<br />
der Abkoppelung von weltweiten<br />
Interdependenzen).<br />
Rolf Bräuer beschreibt in seinem Artikel<br />
„Zwischen Provinzialität und Globalismus"<br />
die Geschichte der im „Bundeskongreß entwicklungspolitischer<br />
Aktionsgruppen"<br />
(BUKO) zusammengeschlossenen Solidaritätsgruppen.<br />
Untersucht werden insbesondere<br />
die Mobilisierungs- und Demobilisierungsphasen<br />
der Bewegung. Im Anschluß daran<br />
wird die These von der „Krise der Bewegung"<br />
kritisch diskutiert. Die Mobilisierungserfolge<br />
der Vergangenheit können, so Bräuer, nicht