Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94 79<br />
unter dem Oberbegriff Dritte-Welt-Bewegung<br />
summiert werden können: (1) themenorientierte<br />
Gruppen; (2) die Händler der Dritte-Welt-Läden;<br />
(3) die Projektorganisationen. 7<br />
Für viele<br />
dieser Gruppen und Organisationen waren<br />
revolutionäre Ideen/ Hoffnungen von geringer<br />
oder gar keiner Bedeutung. Es ist daher zu<br />
einfach, einen moralischen Generalangriff gegen<br />
die viel facettenreichere und vielschichtigere<br />
Bewegung zu richten. Vielversprechender<br />
ist ein Nachdenken über die Differenzen zwischen<br />
Menschenrechts- und Solidaritätsarbeit,<br />
über verschiedene Kriterien für die Themenauswahl<br />
und die Struktur der Solidaritätsbewegung,<br />
über mögliche Widerstände, die in<br />
der Solidaritätsarbeit lange Zeit verhinderten,<br />
daß Menschenrechte tatsächlich als unteilbar<br />
und überall gültig eingefordert wurden.<br />
3. Gibt es eine Trennlinie zwischen<br />
Menschenrechts- und Solidaritätsarbeit?<br />
Vergleicht man die teilnehmenden Nicht-Regierungsorganisationen<br />
(NRO) auf der UN-<br />
Konferenz für Entwicklung und Umwelt 1992<br />
mit denen auf der Wiener Menschenrechtskonferenz<br />
im folgenden Jahr, so sieht man, daß<br />
die Schnittmenge der auf beiden Konferenzen<br />
vertretenen NRO nicht sehr groß ist. Dies gilt<br />
sowohl für Süd- und Nord-NRO. In Rio waren<br />
- neben einer großen Zahl von Umweltorganisationen<br />
- sehr viele NRO akkreditiert, die als<br />
soziale NRO im weiteren Feld zu „Entwicklungsthemen"<br />
arbeiten. In Wien dominierten<br />
die klassischen Menschenrechtsorganisationen,<br />
die zu bürgerlichen und politischen Menschenrechten<br />
arbeiten, sowie Initiativen der besonders<br />
von Menschenrechtsverletzungen betroffenen<br />
Bevölkerungsgruppen (Minderheiten, indigenen<br />
Organisationen, Frauen etc.). <strong>Soziale</strong><br />
<strong>Bewegungen</strong> wie Kleinbauernorganisationen,<br />
Gewerkschaften, Landlosenverbände, Selbsthilfe-<br />
und Regionalentwicklungsgruppen, und da<br />
mit die Mehrzahl von Organisationen, die mit<br />
„Entwicklung" befaßt sind, waren vor allem<br />
aus Entwicklungsländern kaum anwesend. Ausnahmen<br />
bilden die Organisationen der indigenen<br />
Völker, die die Menschenrechtsarbeit längst<br />
zu einem integralen Bestandteil ihrer Arbeit<br />
gemacht haben und die Verteidigung ihres<br />
traditionellen Lebensraumes und ihrer ökonomischen<br />
und kulturellen Rechte als nicht voneinander<br />
zu trennende Aufgaben begreifen.<br />
Auch in den bundesdeutschen NRO-Vorbereitungsgruppen<br />
8<br />
für diese beiden Konferenzen<br />
gab es im Hinblick auf die NRO-Beteiligung<br />
Unterschiede. In der bundesdeutschen Vorbereitungsarbeit<br />
zur Menschenrechtskonferenz<br />
waren die Menschenrechtsorganisationen, die<br />
zu Verletzungen von Menschenrechten in allen<br />
Teilen der Welt arbeiten, stark beteiligt. Als<br />
zweite Gruppe kamen NRO hinzu, die sich mit<br />
der Menschenrechtssituation in Deutschland<br />
beschäftigen (vom DGB bis Pro Asyl). Die<br />
Teilnahme bundesdeutscher Entwicklungs-<br />
NRO auf der Wiener Konferenz an den begleitenden<br />
NRO-Aktivitäten war überdurchschnittlich.<br />
Schon einige Zeit vor der Konferenz hatten<br />
bundesdeutsche Entwicklungs-NRO und<br />
Menschenrechtsorganisationen in einer gemeinsamen<br />
Arbeitsgruppe Fragen der Konditionierung<br />
bundesdeutscher Entwicklungshilfe als<br />
(Druck-) Mittel zur Einhaltung von Menschenrechten<br />
diskutiert Anhand von drei Länderbeispielen<br />
untersuchten sie den Versuch der<br />
Bundesregierung, Entwicklungshilfe mit Menschenrechtsaspekten<br />
zu verknüpfen. 9<br />
Sie reagierten damit auf die neue regierungsamtliche<br />
'Lust an der Konditionalität'. Das<br />
Ende des Ost-West-Konfliktes hatte möglich<br />
gemacht, was vorher immer an geostrategischen<br />
Notwendigkeiten scheiterte: die offizielle Ankündigung<br />
der Bundesregierung, die Vergabe<br />
von Entwicklungshilfe zukünftig auch von der<br />
Beachtung der Menschenrechte des Empfän-