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52 FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94<br />

Aus DDR-oppositioneller Sicht sollte sich der<br />

Wandel dort vollziehen, wo Veränderungen<br />

möglich schienen: in der Dritten Welt. Dies<br />

zeigte sich u.a. darin, daß nicht pauschal die<br />

sozialistische Orientierung in Entwicklungsländern<br />

unterstützt wurde, sondern in erster<br />

Linie Formen der Neu- und Selbstorganisation<br />

im Süden gefördert wurden, die über das realsozialistische<br />

Gesellschaftsmodell weit hinausgingen<br />

(wie z.B. in Nicaragua Elemente der<br />

basisorientierten Selbstorganisation). INKO­<br />

TA leitete damit einen Prozeß der Umorientierung<br />

ein, der, in seiner Konsequenz, eine Emanzipation<br />

von kirchlich-karitativen und staatsoffiziellen<br />

Solidaritätsangeboten darstellte. In<br />

den Mittelpunkt rückten nun neue Perspektiven<br />

(eine andere Entwicklung des Nordens)<br />

und basisdemokratische Aktions- und Organisationsformen.<br />

So waren die einzelnen INKO-<br />

IÄ-Mitglieder weitgehend selbständige Gruppen,<br />

die ihre konkreten Aktionen unmittelbar<br />

vor Ort bestimmten. Die von INKOTA angeregte<br />

Diskussion über Solidarität und ihre Rolle<br />

in der realsozialistischen Gesellschaft führte<br />

zur weiteren „Verweltlichung" vieler kirchlicher<br />

und der Kirche nahestehender Gruppen.<br />

Damit wurde auch ein Anstoß zur Gründung<br />

neuer Aktionsgruppen gegeben. Durch den Helsinki-Prozeß<br />

8<br />

und die Annäherung der beiden<br />

deutschen Staaten wurde diese Entwicklung<br />

zusätzlich gefördert. Zum einen konnten <strong>Bewegungen</strong><br />

wie INKOTA nun über die innerkirchlichen<br />

Kommunikationswege zunehmend<br />

- zumindest passiv - an den laufenden internationalen<br />

entwicklungspolitischen Diskussionen<br />

teilhaben. Zum anderen ermöglichten Liberalisierungstendenzen<br />

in der DDR den Vorstoß<br />

zu neuen Handlungsbereichen. Als Beispiel<br />

sei hier die INKOTA-Projektarbeit in Nicaragua<br />

seit 1988 genannt. Die Zahl der unabhängigen<br />

Solidaritätsgruppen blieb aber auch<br />

bis 1989 gering. INKOTA blieb das einzige<br />

Netzwerk. Nur vereinzelt entstanden neue<br />

Gruppen wie die 1988 gegründete „Kontaktstelle<br />

für Angepaßte Technologie" (KATE).<br />

In der zweiten Hälfte der 80er Jahre war eine<br />

widersprüchliche Situation eingetreten: Zum<br />

einen hatten die Gruppen einen bis dahin nie<br />

gekannten Handlungsspielraum erreicht. Zum<br />

anderen hatten sie - aus heutiger Sicht - damit<br />

aber auch die Grenzen des in der SED-DDR<br />

Machbaren erreicht. Die Akteure empfanden<br />

diesen Zustand als Stagnation und Krise der<br />

traditionellen Solidaritätsarbeit. Daß sich die<br />

Gruppen in der Tat an einem kritischen Punkt<br />

befanden, zeigte sich auch daran, daß eine Mobilisierung<br />

neuer Aktivistinnen ausblieb und<br />

sich die Außenwirkung der Gruppen verringerte.<br />

Für Außenstehende wurde es immer weniger<br />

nachzuvollziehen, wie sich die Solidaritätsgruppen<br />

eine Veränderung in der Nord-Süd-<br />

Politik vorstellten. Eine selbstkritische Debatte<br />

über die Motivation, die Ziele, Inhalte und<br />

Formen der Solidaritätsarbeit blieb ebenfalls<br />

aus.<br />

Hier zeigen sich vielleicht auch Parallelen zur<br />

Situation und Befindlichkeit vieler Solidaritätsgruppen<br />

in der BRD heute. Ohne an dieser<br />

Stelle darauf näher eingehen zu wollen, wäre<br />

die These zu prüfen, ob der Krisenzustand der<br />

westdeutschen Solidaritätsbewegung nicht auch<br />

ein Ergebnis ihres relativen Erfolges ist. Die<br />

westdeutsche Solidaritätsbewegung hat in den<br />

80er Jahren einen relativ starken Zulauf erlebt.<br />

Die damit verbundenen Handlungsspielräume<br />

haben aber - so muß heute konstatiert werden<br />

- auch die Grenzen entwicklungspolitischer<br />

Reformpolitk deutlich werden lassen. Sollte<br />

diese These zutreffen, so stellt sich die Frage,<br />

welcher gesellschaftliche Umbrüche es bedarf,<br />

um neue Artikulations- und Handlungschancen<br />

für die Akteure zu eröffnen. Nützlich kann<br />

auch hier ein Blick auf die DDR-Solidaritätsbewegung<br />

sein.

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