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80 FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94<br />

gerlandes abhängig zu machen. Im Herbst 1991<br />

war der Bundesminister für wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit und Entwicklung, Carl-Dieter<br />

Spranger, an die Öffentlichkeit getreten und<br />

hatte - neben der Beachtung von Menschenrechten<br />

- vier weitere politische Kriterien, nämlich<br />

Entwicklungsorientierung, rechtsstaatliche<br />

Institutionen, Demokratisierung und Wirtschaftsordnung<br />

(soziale Marktwirtschaft), benannt,<br />

von denen die Vergabe von Entwicklungshilfe<br />

durch sein Ministerium in Zukunft<br />

abhängig gemacht werden sollte. Zu Zeiten<br />

des Ost-West-Konfliktes war für den Charakter<br />

der Außenbeziehungen der BRD entscheidend,<br />

zu welchem der Blöcke sich das betreffende<br />

Land bekannte. Erst mit Ende der Blockkonfrontation<br />

schwanden auch die Befürchtungen,<br />

gezielter politischer Druck würde ein<br />

Land zur anderen politischen Seite drängen.<br />

Nun gab es den nötigen Spielraum, um über<br />

den offensiven Einsatz von Konditionalitätskriterien<br />

nachzudenken.<br />

Die 'Lust an der Konditionalität' blieb aber<br />

nicht auf die Bundesregierung beschränkt. Die<br />

Zahl der Befürworter einer politischen Einmischung<br />

in innere Angelegenheiten von Entwicklungsländern<br />

hat in der bundesdeutschen Entwicklungsdebatte<br />

seit 1989 erheblich zugenommen.<br />

Begriffe wie „Interventionen in Krisengebiete",<br />

„Treuhandschaft für Afrika" 10<br />

, „Europa<br />

- zur Dominanz verurteilt" 11<br />

etc. sind<br />

Stichworte einer Debatte, in der die Unantastbarkeit<br />

der Souveränität unabhängiger Staaten<br />

in Frage gestellt wird. Vor allem „korrupte,<br />

menschenverachtende und diktatorische Regime"<br />

werden dabei für das Entstehen mancher<br />

Krisenregion bzw. Krisennation verantwortlich<br />

gemacht. Im Mittelpunkt der Überlegungen<br />

stehen meist die außenpolitisch wenig<br />

gewichtigen Länder Afrikas.<br />

Die Kritik der Nicht-Regierungsorganisationen<br />

an der bundesdeutschen Politik und der Kon-<br />

ditionalitätspraxis setzt aber gerade an dieser<br />

Stelle ein. Zur Anwendung kämen, so die Kritik<br />

der NRO, die Kriterien vor allem gegenüber<br />

Ländern, die außenpolitisch marginal seien.<br />

Die Inkonsistenz und fehlende Glaubwürdigkeit<br />

der Menschenrechtskonditionalität zeige<br />

sich darin, daß sie gegenüber den wirtschaftlich<br />

attraktiven Staaten (z.B. Asiens) nicht oder<br />

nur sehr eingeschränkt Anwendung finde - „bei<br />

gleichzeitig intensivierter allgemeiner wirtschaftlicher<br />

und rüstungspolitischer Zusammenarbeit".<br />

12<br />

Zusätzlich kritisierten die NRO,<br />

daß sich die Kriterien ausschließlich auf die<br />

Vergabe von Entwicklungshilfe beziehen, nicht<br />

aber auf die gesamten Außenbeziehungen (Rüstungsexporte,<br />

Außenwirtschaftsbeziehungen)<br />

Deutschlands zu den entsprechenden Ländern.<br />

Doch trotz aller Kritik an der fehlenden Glaubwürdigkeit<br />

waren von NRO-Seite insgesamt<br />

eher positive Stellungnahmen gegenüber dem<br />

neuen Konzept zu vernehmen. Die Einschätzung,<br />

daß Einflußnahme auf falsche, entwicklungshemmende<br />

nationale Rahmenbedingungen<br />

in Entwicklungsländern legitim sei, wird<br />

inzwischen von vielen Wissenschaftlern und<br />

NRO geteilt. Sprangers Kriterien machen darüber<br />

hinaus Karriere. Sie dienen inzwischen<br />

auch der EU als Vorlage für eine vergleichbare<br />

Orientierung bei der Vergabepraxis europäischer<br />

Entwicklungshilfe. Auch andere internationale<br />

Organisationen (z.B. die Weltbank) beginnen<br />

verstärkt über Konditionalitäten bei der<br />

Mittelvergabe nachzudenken.<br />

Auffallend gering war die Beteiligung der vielen<br />

Dritte-Welt-Gruppen an den NRO-Debatten<br />

im Vorfeld der Menschenrechtskonferenz.<br />

Dies ist auf die oft mangelhafte Personal- und<br />

Finanzausstattung der meisten kleinen Dritte-<br />

Welt-Gruppen zurückzuführen. Weitere Gründe<br />

sind in der geringen Verbindlichkeit bundesweiter<br />

Vernetzungsstrukturen, die eine kontinuierliche<br />

Teilnahme an bundesweiten

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