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94 FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94<br />

nadierin Bonnie Mass gehört mit ihrem Anfang<br />

der 70er Jahre veröffentlichten Buch<br />

„Population Target" zu den Wegbereiterinnen<br />

einer feministischen Kritik an Bevölkerungspolitik.<br />

4<br />

Mass zeigte auf, daß der „Feldzug" gegen die<br />

Reproduktivkräfte der Armen in der Dritten<br />

Welt von mächtigen Kapitalinteressen der USA,<br />

vor allem der Banken, beeinflußt ist und von<br />

langer Hand sowie mit Unterstützung der Wissenschaft<br />

vorbereitet wurde. Darüber hinaus<br />

vertrat sie die These, daß die Bevölkerungsstrategen<br />

einerseits den in vielen Ländern der<br />

Dritten Welt bestehenden Patriarchalismus und<br />

Sexismus noch bestärken, sich andererseits aber<br />

gewisse Forderungen der westlichen Frauenbewegung<br />

zueigen machten. Bonnie Mass<br />

schreibt: „Wir haben gesehen, wie die brutalsten<br />

Sexisten und Feinde des Frauenkampfes<br />

die Forderung nach freier Abtreibung durch<br />

die IPPF (International Planned Parenthood<br />

Federation) oder den Pathfinder Fund oder die<br />

Rockefeiler Foundation erhoben haben. Kostensparende<br />

Geburtenkontrollprogramme werden<br />

schon durch amerikanische Agenturen für<br />

Millionen Dollar praktiziert. Die Direktoren<br />

und Auf sichtsräte dieser Agenturen sind direkt<br />

mit der amerikanischen Außenpolitik in Afrika,<br />

Vietnam und Lateinamerika verbunden."<br />

Andere Kritikerinnen bevölkerungspolitischer<br />

Programme gingen in der Folge stärker von<br />

den konkreten Auswirkungen auf die betroffenen<br />

Frauen aus. Sie stellten vor allem einen<br />

Zusammenhang her zwischen dem niedrigen<br />

sozialen Status von Frauen und der Art und<br />

Weise, wie sie in den Programmen behandelt<br />

werden. Maria Mies beschreibt z.B. die Massensterilisationen<br />

in Indien: „Genausowenig<br />

wie der Kreuzzug gegen die Reproduktivkräfte<br />

klassenneutral ist, ist er geschlechtsneutral.<br />

Denn die Schwächsten unter den Armen sind<br />

deren Frauen. 1975 wurden nach offiziellen<br />

Statistiken mehr Frauen sterilisiert als Männer,<br />

obwohl bei ihnen der Eingriff leichter ist." 5<br />

Kritik wurde und wird auch an den Verhütungsmitteln<br />

und -methoden geäußert, die einen<br />

Angriff auf die körperliche Unversehrtheit<br />

der Frauen darstellen. Seit Ende der 70er Jahre<br />

werden verstärkt hormonelle Langzeitkontrazeptiva<br />

entwickelt und angewendet, wie z.B.<br />

die Zwei- und Drei-Monatsspritzen, das Implantat<br />

Norplant und als neuestes Forschungsziel<br />

ein Anti-Schwangerschafts-Impfstoff. In<br />

empirischen Untersuchungen weisen die Kritikerinnen<br />

die negativen Auswirkungen nach,<br />

die solche Kontrazeptiva auslösen können, und<br />

zeigen auf, daß solche „Nebenwirkungen"<br />

durchaus im Kalkül der Bevölkerungsstrategen<br />

enthalten sind. Sie kritisieren auch, daß<br />

durch diese Mittel den Anwenderinnen zunehmend<br />

die Möglichkeit genommen wird, ihre<br />

Fruchtbarkeit selbst zu kontrollieren. Diese<br />

können die Wirkung der Kontrazeptiva nicht<br />

selbst beenden, wenn sie es wollen; entweder<br />

brauchen sie dazu ausgebildete Leute, die das<br />

Pessar, die Spirale oder die Kapsel wieder entfernen,<br />

oder sie müssen Monate bis Jahre warten,<br />

bis die Wirkung nachläßt. Das Primat der<br />

Freiwilligkeit bei der Einnahme von Verhütungsmitteln<br />

ist aber eine der wichtigsten Forderungen<br />

von Frauenseite.<br />

Solange die Notwendigkeit von Bevölkerungspolitik<br />

von deren Befürwortern insbesondere<br />

mit dem Status und der Rolle von Frauen begründet<br />

wurde, wie dies in den 70er und 80er<br />

Jahren der Fall war, und die Kritikerinnen ihren<br />

Schwerpunkt auf die negativen Auswirkungen<br />

für die Betroffenen legten, galt dieses<br />

Thema zumindest in der bundesrepublikanischen<br />

Solidaritätsbewegung weitgehend als<br />

„Frauenthema". Männer wurden davon ferngehalten<br />

oder hielten sich fern. Mit Beginn der<br />

90er Jahre zeichnet sich hier eine Änderung<br />

ab. In zunehmendem Maße nehmen auch Männer<br />

an den Diskussionen zu diesem Thema

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