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Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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164 FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94<br />

überhaupt erst in Gang zu setzen. Von dem<br />

zugegebenermaßen groben Schnitt der nachfolgend<br />

dargelegten Thesen über die Bewegung<br />

wird für eine solche Diskussion Anschubwirkung<br />

erhofft.<br />

1. Zur theoretischen Bestimmung<br />

der DWB<br />

In Übereinstimmung mit der jüngeren systemtheoretischen<br />

Bewegungsforschung gehen wir<br />

ohne nähere Erläuterung davon aus, daß soziale<br />

<strong>Bewegungen</strong> weder aus „objektiv gegebenen"<br />

Problemlagen, noch aus der psychischen<br />

Verfassung oder den Identitätsproblemen ihrer<br />

Träger erklärt werden können, sondern als<br />

Selbsterzeugungszusammenhang (Japp 1984)<br />

begriffen werden müssen. Unterschiedlich ist<br />

das Ausmaß, in dem die Radikalität der These<br />

der „Selbsterzeugung statt Fremdverschulden"<br />

in der Bewegungsforschung akzeptiert wird<br />

(zur Diskussion vgl. Hellmann 1993). Die Drehung<br />

der Blickrichtung hin auf das „Wie" der<br />

Selbsterzeugung und die Ressourcen, mittels<br />

derer diese Selbsterzeugung gewährleistet wird,<br />

verspricht jedoch für den Fall der DWB insofern<br />

Gewinn, als Vertreter dieser Bewegung<br />

selbst bereits Schwierigkeiten haben zu erklären,<br />

warum die Bewegung in ihrem Fortbestand<br />

ihr Augenmerk auf jeweils wechselnde<br />

Problemlagen richtet und die Anlässe für die<br />

Bewegung sich wandeln. Erklärungen werden<br />

„selbstkritisch" in politischen Vereinfachungsund<br />

Identitätsbedürfnissen der Teilnehmer gesucht,<br />

aber bei allem Wandel und Wechsel der<br />

Orientierungen wird die fortexistierende Einheit<br />

der Bewegung weiterhin unterstellt (für<br />

Beispiele vgl. Balsen/Rössel 1986). Zu klären<br />

bleibt dann aber, wie die Bewegung diese Einheit<br />

bewerkstelligt.<br />

Begreift man „soziale <strong>Bewegungen</strong>" als soziale<br />

Systeme, die sich wie jedes soziale System<br />

selbst erzeugen und fortschreiben, dann be­<br />

steht das theoretische Problem darin, die Besonderheit<br />

sozialer <strong>Bewegungen</strong> im Modus ihrer<br />

Selbsterzeugung, in ihrer Kommunikationsweise<br />

auszuweisen, sofern es sich hierbei weder<br />

um einfache Interaktions-, noch um Organisations-<br />

oder gar um Funktionssysteme handelt.<br />

Denn soziale <strong>Bewegungen</strong> sind weder Interaktionssysteme,<br />

die mit dem Ende von konkreten<br />

Interaktionssequenzen auch ihr Ende als<br />

System finden, noch sind sie Organisationssysteme,<br />

die organisationsspezifische Funktionsrollen<br />

ausbilden und sich mittels Entscheidungen<br />

reproduzieren, noch sind sie Funktionssysteme,<br />

die eine (und nur eine) gesamtgesellschaftliche<br />

Funktion wie das Wirtschafts-,<br />

Rechts- oder Politiksystem wahrnehmen und<br />

spezifizierte Leistungen für andere Funktionssysteme<br />

erbringen. Versuche in der theoretischen<br />

Literatur, diesen Modus der Selbsterzeugung<br />

sozialer <strong>Bewegungen</strong> zu fassen, sind<br />

uneinheitlich (vgl. Japp 1986, Bergmann 1987,<br />

Ahlemeyer 1989, Luhmann 1991) und wohl<br />

auch unabgeschlossen (zur Diskussion vgl.<br />

Hellmann 1993). Wir folgen hier der Annahme<br />

Luhmanns (1991), daß die spezifische Kommunikationsform<br />

sozialer <strong>Bewegungen</strong> im Protest<br />

besteht. „Proteste sind Kommunikationen,<br />

die an andere adressiert sind und deren Verantwortung<br />

anmahnen. Sie kritisieren Praktiken<br />

oder Zustände, machen sich aber nicht selber<br />

anheischig, an die Stelle dessen zu treten, der<br />

für Ordnung sorgen sollte ... die Form des Protests<br />

ist eine Form, die eine andere Seite voraussetzt,<br />

die auf den Protest zu reagieren hat.<br />

Mit dem Kollaps dieser Differenz kollabiert<br />

auch der Protest." (S. 135, 136) Von Protestbewegungen<br />

sei dann zu sprechen, „wenn der<br />

Protest als Katalysator einer eigenen Systembildung<br />

dient. Der Protest rekrutiert dann<br />

gleichsam eigene Anhänger. Der Protest ist die<br />

Form, das Thema der Inhalt, und beides zusammen<br />

setzt eine Reproduktion darauf bezogener<br />

Kommunikationen in Gang und ermöglicht<br />

es dem System, zugehörige und nicht zu-

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