Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94 67<br />
Jahre stand so neben der von Teilen der Bewegung<br />
fortgesetzten Ausrichtung an Befreiungsbewegungen<br />
und Sozialismusprojekten die<br />
wachsende Präsenz der DWB in den neuen<br />
sozialen <strong>Bewegungen</strong>. Dies hatte manchmal<br />
seinen Grund darin, daß das Personal der <strong>Bewegungen</strong><br />
in seiner generalisierten Protestbereitschaft<br />
oftmals identisch war. Ein Teil der<br />
insbesondere durch die Auseinandersetzungen<br />
um Vietnam/Kambodscha, Chile/Argentinien/<br />
Lateinamerika Irritierten sucht hier neuen Anschluß.<br />
Als zentral erweist sich dabei nun die<br />
generelle Verwendbarkeit der Formel „Gleichheit<br />
und Gerechtigkeit weltweit", denn wer an<br />
die Utopie der Befreiung der „Völker" nicht<br />
mehr glauben mag, findet hier die Möglichkeit<br />
der Reinterpretation und Neuprogrammierung<br />
der Formel. Durch „Hochtransformation" der<br />
Themen der neuen sozialen <strong>Bewegungen</strong> auf<br />
Weltniveau läßt sich so die DWB fortsetzen:<br />
„Durch Thematisierung ökologischer Probleme,<br />
spezifischer Benachteiligungen von Frauen<br />
und des Waffen- und Friedenskomplexes<br />
werden drei Kontexte einbezogen, zu denen es<br />
in der Bundesrepublik soziale <strong>Bewegungen</strong> gibt<br />
und in der jüngsten Vergangenheit Mobilisierungskampagnen<br />
gab und deren Anliegen eine<br />
weite Unterstützung in der Bevölkerung finden."'<br />
(Gerhards 1991, S. 228) Frieden hängt<br />
so von der Beendigung des Waffenexportes<br />
der Ersten in die Dritte Welt ab; Selbstbestimmung<br />
der Frauen setzt eine gerechte Verteilung<br />
der Ressourcen und Inklusion voraus; das<br />
Ozonloch ist dem ungerechten Ressourcenverbrauch<br />
des „Nordens" geschuldet; Migration<br />
ist eine Folge der weltweit ungerechten Verteilung<br />
von Gütern und Chancen, die die Armen<br />
zur Flucht zwingt. 10<br />
Für die DWB ist damit ersichtlich die Möglichkeit<br />
eröffnet, angesichts der Brüchigkeit<br />
ihres alten Bewegungsthemas „Gleichheit und<br />
Gerechtigkeit weltweit" als politische Gleich<br />
stellung von Völkern und Durchsetzung von<br />
sozialistischen Verhältnissen zu interpretieren<br />
und somit ihren Protest - und damit sich selbst<br />
- zu kontinuieren. Dies gelingt ihr, indem sie<br />
den Adressaten des Protestes, die Erste Welt,<br />
„den Norden" konstant hält. Er wird für die<br />
von den neuen sozialen <strong>Bewegungen</strong> thematisierten<br />
Problemlagen global verantwortlich erklärt,<br />
und diese selbst werden in Gerechtigkeits-<br />
und Gleichheitsfragen zwischen „Norden"<br />
und „Süden", Erster und Dritter Welt übersetzt.<br />
Das Abstraktum Dritte Welt, abgezogen<br />
von konkreten Ländern nun „der Süden", verschafft<br />
so den vielen kleinen Friedens-, Ökologie-<br />
und Frauenprojekten die Position, von<br />
der aus die Erste Welt, „der Norden", den<br />
Adressaten des Protestes abzugeben vermag.<br />
Man kann so die Selbstfortschreibung der DWB<br />
bis heute z.T. aus der vielseitigen Verwendbarkeit<br />
ihrer Generalformel erklären, die es möglich<br />
macht, an Themen anderer <strong>Bewegungen</strong><br />
zu partizipieren, durch sie die Formel zu interpretieren<br />
und so durch Angleichung und Abgrenzung<br />
zugleich die eigene Einheit zu wahren.<br />
Einsichtig wird so das weite Spektrum der<br />
Bewegung von den Nicaragua-Getreuen bis zu<br />
Umweltschützem in Provinzstädten der Bundesrepublik.<br />
Zu diesem immanenten Reproduktionspotential<br />
der Bewegung vermittels ihrer<br />
Generalformel kommt aber eine Besonderheit<br />
der politischen Konstellationen hinzu, in<br />
denen sich die DWB bewegt und die eine weitere<br />
Gewähr dafür bietet, daß die Bewegung<br />
nicht in den anderen <strong>Bewegungen</strong> verdunstet<br />
oder an eigenen Inkonsistenzproblemen zerbricht:<br />
3. Die entwicklungspolitische Arena<br />
als Themen- und Konfliktpool<br />
der DWB<br />
Die DWB ist eingebettet in einen politischen<br />
Zusammenhang, der als entwicklungspolitische