Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94 61<br />
könnten die Solidaritätsgruppen z. B. durch<br />
eine Reform des politischen Systems und die<br />
Stärkung basisdemokratischer Mitbestimmungsformen<br />
so aufgewertet werden, daß sie<br />
tatsächlich Einfluß auf zentrale Politikbereiche<br />
(z.B. Außenpolitik, Wirtschaftspolitik) nehmen<br />
können. Bislang werden solche Veränderungen<br />
jedoch nur angedacht und eingefordert.<br />
Es fehlt aber noch an praktischen Umsetzungsstrategien.<br />
Mittlerweile hat sich auch die Erkenntnis<br />
gefestigt, daß die Solidaritätsgruppen<br />
allein zu schwach sind, um ein großes Reformprojekt<br />
zu initiieren. Notwendiger denn<br />
je ist eine Vernetzung mit anderen relevanten<br />
Reformkräften (Parteien und Bürgerbewegungen).<br />
Ob eine Vernetzung der Reformkräfte in<br />
dieser Gesellschaft gelingt, muß die Zukunft<br />
zeigen. Bisher wird lediglich die Notwendigkeit<br />
eines solchen Bündnisses betont.<br />
Die aktuellen Diskurse der Bewegungsakteure<br />
zeigen zwei wichtige Richtungen auf, die in<br />
der Debatte um eine „Entwicklung des Nordens"<br />
stärker in den Mittelpunkt rücken müssen:<br />
Zum einen sollte vermittels Kampagnen<br />
nach Themen- und Handlungsfeldern gesucht<br />
werden, die - wie ein Focus - die negative<br />
Interdependenzen zwischen Nord und Süd thematisch<br />
bündeln. Solche „Focus-Themen" werden<br />
heute bereits in ersten Ansätzen mit der<br />
Landminen-Kampagnen, der Teppich- und Blumenkampagne,<br />
der Kampagnen gegen Sextourismus<br />
etc. realisiert. Eine „Entwicklungspolitik<br />
für den Norden" wird nur dann als glaubwürdiges<br />
Reformprogramm wirksam sein,<br />
wenn konkrete Handlungsalternativen für die<br />
Menschen in der Bundesrepublik formuliert<br />
werden. Die o.g. Kampagnen setzen an diesem<br />
Punkt an. Durch die Vemetzung unterschiedlicher<br />
Reformkräfte würde - so der zweite<br />
Aspekt - nicht nur das Reformpotential erhöht,<br />
sondern auch eine inhaltliche Durchdringung<br />
und wechselseitige Beeinflussung der<br />
<strong>Bewegungen</strong> untereinander erreicht. Auf diese<br />
Weise wird das Programm „Entwicklung für<br />
den Norden" konkrete Formen annehmen und<br />
neue Interessenten an die Bewegung heranführen.<br />
Dr. Malte Letz, Historiker, lebt und arbeitet in<br />
Berlin.<br />
Anmerkungen<br />
1<br />
Siehe dazu ausführlich: Österreichischer Informationsdienst<br />
für Entwicklungspolitik: Umwelt<br />
und Entwicklung. Agenda 21. Eine Zusammenfassung.<br />
Wien 1992.<br />
2<br />
In den letzten Jahren sind verschiedene Einzelartikel<br />
zum Thema erschienen. Stellvertretend für<br />
diese Artikel sei hier genannt: Politische Ökologie,<br />
Thema: Lebensstil oder Stilleben, Heft 33,<br />
München 1993.<br />
3<br />
Wenn nachfolgend der Begriff „Entwicklung für<br />
den Norden" verwendet wird, dann wird damit<br />
auf unterschiedliche Aktivitäten angespielt, nicht<br />
aber ein konsistentes Gesamtprogramm unterstellt.<br />
4<br />
Siehe dazu auch den Beitrag von Kößler in diesem<br />
Heft.<br />
5<br />
Der Artikel beschränkt sich auf die Entwicklung<br />
der Solidaritätsbewegung in der Ex-DDR und den<br />
Neuen Bundesländern. Auf die gesellschaftlichen<br />
Umbruchprozesse in den Ländern Osteuropas kann<br />
an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Die<br />
Untersuchung der Solidaritätsgruppen bezieht sich<br />
auf die Gruppen, die sich mit Entwicklungsländern<br />
in Asien, Afrika und Lateinamerika befassen.<br />
Aus Platzgründen bleiben die Gruppen ausgespart,<br />
die sich in ihrer Arbeit auf Ost- und Südosteuropa<br />
konzentrieren.<br />
6<br />
Zur Geschichte und Entwicklung der westdeutschen<br />
Solidaritätsbewegung siehe den Beitrag von<br />
Bräuer in diesem Heft.<br />
7<br />
Zur Entwicklungspolitik der DDR sie u.a.: Erl,<br />
Willi: Das Erbe der DDR-Entwicklungspolitik, in:<br />
EPOG (Hrsg.): Osteuropas Entwicklungspolitik<br />
und -Zusammenarbeit - Was bleibt? Materialien<br />
des Workshops vom 22. und 24. April 1992, Berlin<br />
1992, S. 119 ff.<br />
8<br />
Mit der Schlußakte von Helsinki wurden am<br />
1.8.1975 die vertraglichen Grundlagen der „Kon-