Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94 331<br />
spektive" nicht immer vermeiden lassen, da<br />
der Blick auf die Dritte-Welt-Bewegung vor<br />
dem Hintergrund eigener Erfahrungen erfolgt 2<br />
und sicher nicht uneingeschränkt Objektivität<br />
beanspruchen kann. Allerdings soll hier versucht<br />
werden, die Dritte-Welt-Bewegung mit<br />
einer gewissen Systematik zu betrachten und<br />
die jeweiligen Bewertungen in einen größeren<br />
Zusammenhang zu stellen und von daher zu<br />
begründen. 3<br />
2. Einleitung<br />
Mit der Gegenüberstellung des Zitates von<br />
Marx - „Die tiefe Heuchelei der bürgerlichen<br />
Zivilisation und die von ihr nicht zu trennende<br />
Barbarei liegen unverschleiert vor unseren Augen,<br />
sobald wir den Blick von ihrer Heimat, in<br />
der sie unter respektablen Formen auftreten,<br />
nach den Kolonien wenden, wo sie sich in<br />
ihrer ganzen Nacktheit zeigen." 4<br />
- und des<br />
Bibelzitats - „Der Herr sprach zu Kain: Wo ist<br />
dein Bruder Abel? Der sprach: Ich weiß nicht;<br />
soll ich meines Bruders Hüter sein? Er aber<br />
sprach: Was hast du getan? Das Blut deines<br />
Bruders schreit von der Erde zu mir!" (1. Mose<br />
4, 9-10) - begann das 1981 in der 6. Auflage<br />
vom Bundeskongreß entwicklungspolitischer<br />
Aktionsgruppen (BUKO) und anderen Zusammenschlüssen<br />
von Dritte-Welt-Gruppen herausgegebene<br />
„Aktionshandbuch Dritte Welt"<br />
(BUKO 1981, S. 1). Damit sollten die beiden<br />
Wurzeln der Dritte-Welt-Bewegung (nachfolgend<br />
DWB genannt) im proletarischen Internationalismus<br />
der Arbeiterbewegung bzw. in<br />
dessen Wiederaneignung durch die Studentenbewegung<br />
der 60er Jahre und im christlichen<br />
Humanismus deutlich gemacht werden. Zugleich<br />
schienen damit die Koordinaten bestimmt,<br />
in denen sich die Diskussionen innerhalb<br />
der DWB zu jener Zeit vollzog. Aus heutiger<br />
Sicht erscheint die Bestimmung der Herkunft<br />
der DWB aus ihrer linken und christlichen<br />
Tradition keineswegs mehr ausreichend.<br />
Auch die Fixierung auf die Studentenbewegung<br />
und die sich daran anschließende Orientierung<br />
auf länderbezogene Solidaritätsarbeit 5<br />
führt teilweise zu falschen Analysen und<br />
Schlüssen. Die Entwicklung der Bewegung und<br />
ihres „Gegenstandes", des Nord-Süd-Verhältnisses<br />
in den 80er Jahren, sowie der Zusammenbruch<br />
des „nominalsozialistischen" Blocks,<br />
der eine Diskreditierung des gesamten linken<br />
und sozialistischen Projekts zu beinhalten<br />
scheint, haben die bisherigen Orientierungspunkte<br />
der DWB erschüttert. Das gesamte<br />
Selbstverständnis der Akteure, Teil einer gemeinsamen<br />
Bewegung zu sein, wie diffus dies<br />
auch immer gewesen sein mag, scheint in Frage<br />
gestellt. Es herrscht allgemeine Ratlosigkeit,<br />
und mit großen Anstrengungen entwikkelte<br />
Organisationsformen der Bewegung erwecken<br />
den Anschein, von (Selbst-) Auflösung<br />
bedroht zu sein.Vor diesem Hmtergrund soll<br />
versucht werden, einige Entwicklungslinien der<br />
DWB in den vergangenen zehn bis 15 Jahren<br />
nachzuzeichnen und besondere Problembereiche<br />
zu diskutieren. Abschließend sollen dann<br />
mögliche Ansätze für Arbeitsaufgaben und Perspektiven<br />
der DWB skizziert werden.<br />
3. Zielsetzung: Politische<br />
Wirksamkeit entfalten<br />
Der Ausgangspunkt am Ende der 70er Jahre<br />
war gekennzeichnet durch eine Zersplitterung<br />
in weitgehend isoliert zu einzelnen Projekten<br />
oder einzelnen Ländern arbeitende oder Dritte-Welt-Handel<br />
betreibende Gruppen (Bräuer<br />
1982). Selbst Gruppen in der gleichen Gemeinde<br />
oder Stadt fanden selten die Möglichkeit<br />
zur Zusammenarbeit. Zu verschieden erschienen<br />
die spezifischen Probleme des „eigenen"<br />
Projektes, des „eigenen" Landes oder der „eigenen"<br />
Aktionsform. Ein Zusammenhang stiftendes<br />
gemeinsames Konzept für die internationalistische<br />
Arbeit, wie es der linke Antiimperialismus<br />
hätte sein können, war durch das