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20 FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94<br />

in der internationalen Diskussion denn auch<br />

recht frühzeitig zur Kenntnis genommen und<br />

entsprechende Konsequenzen angemahnt (s.<br />

Harris 1987).<br />

Der Paradigmenwechsel nahm nun die Form<br />

einer Proliferation der Paradigmen mit der zunehmenden<br />

Thematisierung neuer Bereiche an;<br />

dies wurde einerseits durch die sich entfaltende<br />

Problematik nachholender Entwicklung<br />

provoziert, stand zum anderen aber in enger<br />

Beziehung zum Auftreten der neuen sozialen<br />

<strong>Bewegungen</strong>, deren Zentren mit wenigen Ausnahmen<br />

in den industriekapitalistisch entwikkelten<br />

Ländern lagen. Damit erschien freilich<br />

die „Dritte Welt"-Thematik als subsumiert unter<br />

eine Mehrzahl von Themen, die sich der<br />

geographischen Zuordnung sperrten und die<br />

daher schwerpunktmäßig im Bereich unmittelbarer<br />

„Betroffenheit" mobilisierten. Das gilt<br />

besonders für die Frauen- und die Ökologie-<br />

Bewegung. Als übergreifende Problemstellungen<br />

bewirkten sie weniger eine Neubelebung<br />

der „Dritte Welt"-Bewegung, als vielmehr die<br />

Aufarbeitung entsprechender Fragen im Rahmen<br />

dessen, was von dieser Bewegung noch<br />

vorhanden war. Diese verwickelte Situation<br />

wurde weiter kompliziert durch die Rückwirkungen<br />

der Ereignisse von 1989/91. Ich möchte<br />

im folgenden auf einige neuere Probleme und<br />

Diskussionsansätze näher eingehen, um dann<br />

abschließend auf die Eingangsfrage nach dem<br />

„Ende der Dritten Welt" zurückzukommen.<br />

2. Globale Krisen und globale<br />

Fragestellungen<br />

Entwicklungstheorie muß angesichts der neuen<br />

Themenstellungen als zentraler Teilaspekt<br />

einer übergreifenden Gesellschaftstheorie der<br />

Moderne rekonstruiert werden. Diese Theorie<br />

hat zum einen die sozialen und technologischen<br />

Umwälzungen zu berücksichtigen, die<br />

alle Gesellschaften der Gegenwart erfassen;<br />

zum anderen ist zu bedenken, daß moderne<br />

Gesellschaften zueinander in hierarchischer<br />

Beziehung stehen und mit diesen Provokationen<br />

sehr unterschiedlich umgehen (können).<br />

Zusammenhang wie Unterschiede lassen<br />

sich an der Art und Weise verdeutlichen, wie<br />

zentrale Krisen der Gegenwart in den überkommenen<br />

Gegenstandsbereich der Entwicklungstheorie<br />

eingreifen.<br />

Verschuldung, Strukturanpassung,<br />

politische Konditionalität<br />

Die Verschuldungskrise hat seit über einem<br />

Jahrzehnt für die meisten Länder der „Dritten<br />

Welt" einschneidende Konsequenzen. Die IWF/<br />

Weltbank-Tagung 1988 und der G 7-Gipfel<br />

1992 zeigten ein relativ hohes Mobilisierungspotential<br />

dieser Fragen wenigstens für die<br />

(west)deutsche Solidaritätsbewegung; und das<br />

mit gutem Grund: Die Verschuldung ist ein<br />

wesentliches Moment für den Nettotransfer von<br />

Werten vom Süden in den Norden, eine zentrale<br />

Restriktion für autonome Entscheidungen<br />

der Entwicklungsländer und krasser Ausdruck<br />

für die fortdauernde Hegemonialstellung<br />

des Nordens, insbesondere der USA. Von dort<br />

gingen die wirtschaftspolitischen Entscheidungen<br />

aus, die die Zahlungsunfähigkeit immer<br />

neuer Schuldnerländer bewirkten (vgl. Chahoud<br />

1988). Die Verschuldungskrise ermöglichte<br />

die Durchsetzung der vom IWF forcierten<br />

Strukturanpassungsprogramme mit dem<br />

Abbau staatlicher Nahrungsmittelhilfen, mit<br />

Sparmaßnahmen im Erziehungs- und Gesundheitsbereich<br />

und mit krassen Veränderungen<br />

der Preisrelationen, etwa zwischen ländlichen<br />

Erzeugern und städtischen Verbrauchern (vgl.<br />

George 1988, bes. Teil III; Altvater 1991, bes.<br />

Kap. 4). Unbeschadet der Bewertung der Strukturanpassung<br />

belegen die Krise als ihr Anlaß<br />

und die Art und Weise, wie sie gegen heftigen<br />

Widerstand einzelner Regierungen durchgesetzt<br />

wurde, den Tatbestand der Abhängigkeit. Doch

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