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Vollversion (6.51 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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FORSCHUNGSJOURNAL NSB 3/94 65<br />

gehörige Aktivitäten zu unterscheiden. Es erkennt<br />

sich daran, daß es alle für es zugänglichen<br />

Tatsachen in die Form des Protestes bringt<br />

und sich mit Hilfe dieser Form reproduziert,<br />

und es kombiniert auf diese Weise in jeder<br />

Operation Fremdreferenz und Selbstreferenz,<br />

eben externe Anlässe für einen intern aktualisierten<br />

Protest." (S. 136, 137) 2<br />

Besteht die Gemeinsamkeit sozialer <strong>Bewegungen</strong><br />

in der Kommunikationsform „Protest", so<br />

wird andererseits zwischen „alten" und „neuen"<br />

sozialen <strong>Bewegungen</strong> unterschieden. Die<br />

Differenz besteht nicht schlicht in unterschiedlichen<br />

Themen (auch neue soziale <strong>Bewegungen</strong><br />

haben verschiedene Themen wie Frieden,<br />

Ökologie, Frauen), sondern darin, daß alte soziale<br />

<strong>Bewegungen</strong> Strukturprobleme von Funktionssystemen<br />

und daraus resultierende ungleiche<br />

Inklusionschancen von Individuen in diese<br />

Systeme thematisieren. So macht die Arbeiterbewegung<br />

Ungleichheit im Wirtschaftssystem<br />

und daraus resultierende ungleiche Inklusionschancen<br />

auch in andere Teilsysteme<br />

(insbesondere Politik und Erziehung) zum Thema<br />

und ist „dagegen" (und für „Sozialismus"<br />

als Reflexions wert). Sie findet ihr Ende in der<br />

wohlfahrtsstaatlichen Absicherung von Grundbedingungen<br />

der Inklusion in gesellschaftliche<br />

Teilsysteme (Demokratie als politische<br />

Inklusion aller Staatsbürger, Chancengleichheit<br />

als Inklusion ins Bildungssystem unabhängig<br />

z. B. von Besitz, Tarifvertragsrecht, Absicherung<br />

von Gesundheitsrisiken etc.). Davon unterscheiden<br />

sich neue soziale <strong>Bewegungen</strong>, indem<br />

sie (Risiko-)Themen quer zu den<br />

Funktionssystemen wie Ökologie, Risikotechnologien<br />

und Frieden aufgreifen und „der<br />

Gesellschaft", die nun zur „Risikogesellschaft"<br />

(Beck 1986) geworden ist, entgegenhalten. 3<br />

Anhand dieser Gegenüberstellung 4<br />

läßt sich die<br />

DWB auf den ersten Blick nur uneindeutig<br />

zuordnen, sofern man den aktuellen Selbstbe­<br />

schreibungen von Bewegungsteilnehmern folgt,<br />

die sich sowohl für politische und ökonomische<br />

Gleichstellung von Drittweltländern, also<br />

für alte Bewegungsthemen, wie auch für Ökologiethemen<br />

- etwa Regenwälder und Klimakatastrophe<br />

-, also für neue Bewegungsthemen,<br />

einsetzen. 5<br />

Diese vermeintliche Uneindeutigkeit<br />

ergibt sich aber nur bei distanzloser<br />

Betrachtung. Mit größerem Abstand sieht man,<br />

daß die Allzuständigkeit der DWB für Bewegungsthemen,<br />

die einen Teil ihrer langen Existenzdauer<br />

erklärt, der normativen Generalformel<br />

„Gleichheit und Gerechtigkeit weltweit"<br />

geschuldet ist, die bereits ihrem Start als alte<br />

Bewegung unterliegt und die sich im Verlauf<br />

ihrer Geschichte als vielseitig programmierund<br />

verwendbar erwiesen hat. Es ist gerade<br />

die Leere und Unbestimmtheit dieser zugrundeliegenden<br />

Formel, die deren Offenheit und<br />

Interpretierbarkeit und damit ihre Produktivität<br />

für die DWB begründet: Adressat, Vorwurf<br />

und Protest können bei wechselnden Themen<br />

(Programmen) identisch gehalten werden.<br />

2. Von den 60er zu den 90er Jahren:<br />

Themenwechsel bei Konstanz des<br />

Protestadressaten<br />

Die DWB war zunächst Teil und Strang der<br />

Studentenbewegung, die sich in ihrer Selbstbeschreibung<br />

in den kritischen, insbesondere<br />

marxistischen Traditionen der Arbeiterbewegung<br />

verortete (vgl. Bergmann u. a. 1968,<br />

Wolff/Windaus 1977) und unter anderem auch<br />

als Fortsetzung dieser Bewegung verstand. Versteht<br />

man die Studentenbewegung als eine<br />

Bewegung, deren Protest zum Teil auf Gleichstellung,<br />

insbesondere im Erziehungssystem,<br />

vor allem aber gegen kulturelle Verkrustungen<br />

im Familien-, Erziehungs- und Politiksystem<br />

zielte (vgl. Halfmann 1989), dann bestand neben<br />

den hier erreichten unbestreitbaren Erfolgen<br />

ein wesentlicher Effekt dieser Bewegung<br />

in der Erzeugung eines Protestmilieus, an das

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