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nahtlos anschließen. Sie bezeichnete Beauvoir als »Frau in Bewegung«, die mit<br />

Radikalität gegen alles vorging, was die Freiheit bedrohte, und zwar theoretisch<br />

wie auch praktisch. Und: Sie habe sich ständig gewandelt! Noch Ende der 40er<br />

Jahre, in »Das andere Geschlecht«, habe Beauvoir den Feminismus als gesonderte<br />

Bewegung abgelehnt, da sie die Befreiung der Frauen als ein Moment im Rahmen<br />

der Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft ansah. Doch auf ihren vielfältigen<br />

Reisen durch die Länder des sog. real existierenden Sozialismus, u. a. und<br />

v. a. auch durch die Sowjetunion, sei ihr mehr und mehr bewusst geworden, dass<br />

der Sozialismus per se nicht die Befreiung der Frauen mit sich bringt, sondern in<br />

diesen Ländern vielmehr patriarchale Strukturen reproduziert wurden. Aus dieser<br />

Einsicht heraus habe sie sich dann seit den frühen 70er Jahren im Rahmen der<br />

französischen Frauenbewegung engagiert und u. a. das »Manifest der 343« unterstützt,<br />

in dem sich 343 Frauen öffentlich dazu bekannten, abgetrieben zu haben<br />

und eine Aufhebung des Abtreibungsverbots forderten. Liliane Kandel berichtete<br />

dann aus ihren persönlichen Erfahrungen mit Beauvoir im Rahmen der Zeitschrift<br />

»Les Temps Modernes«, als es etwa darum ging, Aufsätze zum Feminismus-<br />

Thema zu publizieren und, auf Vorschlag von Beauvoir selbst, eine eigenständige<br />

Rubrik dazu eingerichtet wurde. Die Zeitschrift wurde so im Laufe der Jahre zu<br />

einem etablierten Ort der feministischen Debatte.<br />

Auf das Geschichtsbild von Sartre und Beauvoir ging Vincent von Wroblewsky<br />

ein, Präsident der deutschen Sartre-Gesellschaft und Herausgeber der Werke Sartres<br />

beim Rowohlt-Verlag. Was beide Intellektuellen auszeichne, das sei – zumindest<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg – die kritische Solidarität mit dem Sozialismus<br />

und die solidarische Haltung zu Israel. Als einschneidend für die politische Haltung<br />

der beiden, aber auch für ihr Geschichtsverständnis, bezeichnete Wroblewsky<br />

das Kriegsgeschehen. Waren sie in der Zeit von 1929 bis 1939 relativ unpolitisch,<br />

so wandelte sich dies unter dem Eindruck des Krieges, so der Redner.<br />

Zugleich befasste sich Sartre gerade in dieser Zeit sehr mit der Existenzphilosophie<br />

Heideggers, wo ihn Kategorien wie Geschichtlichkeit und Eigentlichkeit besonders<br />

beeinflussten, während Beauvoir insonderheit Heideggers Vorstellungen<br />

von Mit-Sein und Erschlossenheit rezipierte. Doch auch die Lektüre von Hegels<br />

»Phänomenologie des Geistes«, und hier speziell das Kapitel über »Herrschaft<br />

und Knechtschaft«, habe bei beiden einen nachhaltigen Einfluss hinterlassen. Allerdings,<br />

so Wroblewsky, könne man bei Beauvoir kein Bemühen um eine eigenständige<br />

Geschichtstheorie erkennen; bei ihr sei eher das biographische Interesse<br />

ausgeprägt.<br />

Joseph Jurt, Prof. em. für Literaturwissenschaft an der Universität Freiburg,<br />

befasste sich mit den unterschiedlichen Genres innerhalb des Oeuvres von Beauvoir.<br />

So stellte er die Differenzen zwischen den Tagebüchern und den Memoiren<br />

heraus. Im Verhältnis zu den aus der Retrospektive verfassten Erinnerungen, in<br />

denen Beauvoir ihr Leben und damit ihre eigene Persönlichkeit konstruiert und<br />

immer wieder rekonstruiert, seien die nach dem unmittelbaren Erleben geschrie-<br />

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